Josef Hanekamp

Die Großeltern als Sprachlehrer

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In Werlte aufgewachsen, begann meine Erfahrung mit der Hümmlinger Mundart im Elternhaus. Mit mir, dem männlichen Nachwuchs, wurde Mundart, mit meinen drei Schwestern dagegen hochdeutsch gesprochen. Selbst bei Tisch klappte diese unterschiedliche Unter haltung problemlos. In Mundart war der Sohn ange­sprochen, in Hochdeutsch die Töchter. Die ältere Schwester wurde mit der Mundart über Nachbarn und Freundinnen bekannt, die jüngeren später weniger. In der Schulzeit waren die Verhältnisse ähnlich denen in der Familie.

Jungen untereinander sprachen Mundart, mit den Mädchen wurde hochdeutsch gesprochen. Im Berufsleben als Bierverle­ger mit einem Kundenkreis in einem Raum von 15 Kilometern besuchte ich über­wiegend Gaststätten, wo fast ausschließlich Mundart gesprochen wurde. Dabei er­fuhr ich, daß oftmals schon von Ort zu Ort unterschiedliche Ausdrücke für be­stimmte Gegenstände verwandt wurden.

Einige Beispiele: reden ist proten, rääden, snacken
Kartoffeln heißen Tuffeln, Tüwweken, Tüffeln
Ferkel: Biggen, Faerken, Ficken

In den zum Land Oldenburg gehörenden Nachbargemeinden wurden wir stets mit folgendem Satz gehänselt: Lat den Wagen man up dei Straate stahn, dau dor nen Pahl vor etc. In Oldenburger Mundart wurde statt a ein o benutzt. Die Hümm-linger Mundart wurde in den späteren Jahren auch auf dem Hümmling immer wei­ter zurückgedrängt. Mit unseren Kindern habe auch ich keine Mundart gespro­chen – auch nicht mit meinem Sohn. Heute bedauern wir dieses Verhalten.

Gibt es ein Zurück zur emsländischen Mundart? In einem Ort wie Werlte, in dem seit 1989 mehr als 20 Prozent Neubürger zugezogen sind, wird eine Renaissance der Mundart doppelt schwierig, aber auch nötig sein. Wir sollten uns bemühen. Die Bereitschaft ist meiner Meinung nach vorhanden.

Abschließend eine Begebenheit, die eventuell einen möglichen Weg aufzeigt. In einem Cafe im ostfriesischen Leer kam ein junges Ehepaar mit zwei noch nicht schulpflichtigen Kindern zu meiner Frau und mir an den Tisch. Die Mutter sprach mit ihren Kindern hervorragend in ostfriesischer Mundart. Als ich der Mutter da­zu gratulierte, erwiderte diese: „Das Lob muß ich an meine Mutter weitergeben. Die hat unseren Kindern die Mundart vermittelt, und ich habe sie durch meine Kinder wieder gelernt.” Wäre das eine Möglichkeit?