Alfred Möllers (Bad Essen)

 

Zur Rolle des Plattdeutschen auf meinem Lebensweg

Ich bin Jahrgang 1940. Aufgewachsen bin ich in Schüttorf, der ältesten Stadt der Grafschaft Bentheim, zwischen Ackerbürgerhäusern und ihren das Grafschafter Platt sprechenden Bewohnern. Zuhause wurde  hochdeutsch gesprochen. Nur wenn wir die Großeltern in Rheine besuchten, erlebte ich, dass sich mein Vater mit seinen Eltern und Geschwistern plattdeutsch unterhalten konnte; aber diese Gespräche wechselten ständig zwischen hoch- und plattdeutsch hin und her.

Als Kind konnte ich jede plattdeutsche Unterhaltung verstehen, behielt auch interessante Wendungen im Kopf und konnte meinen Gesprächspartnern durchaus mit plattdeutschen Kurzantworten parieren, aber ein aktiver Plattsprecher bin ich nie gewesen; und wenn wir zum Einkaufen über die Grenze nach Holland fuhren, erwies es sich als sehr nützlich, seine Kaufanliegen plattdeutsch vortragen zu können, denn das Drenther und Grafschafter Platt stimmten weitgehend überein.

Als ich nach dem Abitur mein Lehrerstudium an der Kath. Pädagogischen Hochschule in Münster absolvierte, ergab es sich, dass ich auf Wunsch des Deutschprofessors – es war meine erste Lehrprobe – das plattdeusche Gedicht „Dat Liäben geiht nen krummen Pad“ von Augustin Wibbelt  mit einer 6.Klasse auf der Grundlage einer neuen Methodik erarbeiten sollte. Die Lehrprobe musste ich in der Hochschule vor den Studenten des Deutschseminars und mit städtischen Schülern halten. Das heißt, dass man Anfang der 60iger Jahre  noch ganz selbstverständlich davon ausgehen konnte, dass alle Beteiligten wenigstens über rudimentäre plattdeutsch Kenntnisse verfügten.

In meiner Junglehrerzeit 1963 bis 1966 im Emsland  an den Dorfschulen in Steide und Leschede war es für viele Eltern eine Erleichterung, wenn ich ihnen in Elterngesprächen anbot, doch einfach plattdeutsch zu sprechen. Ich selbst sprach dann aber weiterhin Hochdeutsch, das alle Eltern verstanden. In dieser Zeit ist es mir nicht in den Sinn gekommen, die Kinder ein plattdeutsches Gedicht oder Lied erlernen zu lassen. Die plattdeutsche Sprache  war zu dieser Zeit in den Schulen tabuisiert.

1980 bin ich im Osnabrücker Land Schulrat geworden. Die dortigen Sparkassen schlossen sich der von der Sparkassenstiftung in Gang gesetzten Initiative an, plattdeutsche Vorlesewettbewerbe durchzuführen. Ich wurde damals gebeten, den Vorsitz des bei der Kreissparkasse Osnabrück gebildeten Pädagogischen Beirats zu übernehmen.. Als dort festgestellt wurde, dass es für die Belebung des plattdeutschen Vorlesewettbewerbs notwendig sei, den Schulen angemessene Texte für die verschiedenen Altersstufen zur Verfügung zu stellen, fühlte ich mich veranlasst, die Möglichkeiten meines Amtes zu nutzen, etwas für die Wiederbelebung der plattdeutschen Sprache an den Schulen des Osnabrücker Landes zu tun. Ich habe dann vier Jahre lang mich quasi nebenberuflich engagiert und in dieser Zeit mit Hilfe einer ins Leben gerufenen Arbeitsgemeinschaft „Plattdeutsch in der Schule“ – dieser gehörten interessierte Lehrkräfte sowie plattdeutsch Autoren an –  ein komplettes didaktisches Kompendium zu schaffen, um jeden Lehrer in die Lage zu versetzen, die plattdeutsche Sprache in seinem Unterricht einzusetzen. Durch die Unterstützung durch die Kreissparkasse konnten diese Werke gedruckt und allen Schulen gratis zur Verfügung gestellt werden. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Bücher:

Eine Textsammlung für den Vorlesewettbewerb – zwei Bücher zum „Ossenbrügger Platt“ : Een Liäsebouk fo jung un ault und Een lüttket Wöerebouk  –  drei didaktische Ordner mit jeweils Unterrichtshilfen für die Fächer Deutsch, Musik und Sachunterricht.

Als Ende der 90iger Jahre diese Initiative an Schwung verlor und die fast an allen Grundschulen vorhandenen plattdeutschen Arbeitsgemeinschaften sich auflösten – in erster Linie aufgrund von Mängeln in der Unterrichtsversorgung und in zweiter Linie, weil viele der Lehrkräfte, die plattdeutsche Arbeitsgemeinschafteten leiteten, in den Ruhestand gingen – war ich noch für einige Jahre als Schulrat tätig. Ich musste einsehen, dass auch durch ein neues Engagement von meiner Seite  der Auflösungsprozess nicht hätte gestoppt werden können.