Im Jahre 1954 beschäftigt sich Prof. Dr. Theodor Baader aus Münster mit dem Plattdeutschen im damaligen Landkreis Lingen
Im überwiegenden Teil seiner Studie untersucht er die Lautverschiedenheiten in der Aussprache bestimmter Wörter von Ort zu Ort.
Erst im letzten Teil seiner Abhandlung spricht er die Verbreitung des Gebrauchs der Mundart zur damaligen Zeit an.
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Leben und Kraft der Mundart
Mit Ausnahme der Stadt Lingen, wo es nur noch wenige Mundartsprecher gibt, aber die meisten Alteinheimischen Plattdeutsch doch noch verstehen, hat sich im übrigen Kreise Lingen die Mundart als tägliche Verkehrssprache hinsichtlich ihres Lautsystems und ihrer typischen Sprachform noch einigermaßen gut erhalten. Aber als bedauerliche Tatsache ist zu verzeichnen, daß manche altertümliche Wörter von der Jugend nicht mehr benutzt werden, ja auch den Alten nur noch schwer erinnerlich sind. Es sind dies Wörter für kleine Tiere, Kräuter und umgangssprachliche Ausdrücke, die ich in der Zeit zwischen etwa 1910 bis 1914 aus dem damals noch lebendigen Wortschatz notieren konnte. Neubelebung des Alten aber wird im Kreise erstrebt u. a. auch durch mundartliche Beiträge in den für den Kreis Lingen von der Lehrerschaft unter der beseelenden Leitung des vorn E ichsfeld stammenden Emsbürener Lehrers Chr. Oberthür herausgegebenen „Heimatkundlichen Lesebogen”. Durch dieses Mittel soll auch der altertümliche Lingensche Wortschatz der Jugend wieder näher gebracht werden.
Verwertung der ungemischten Heimatsprache für die gute Reimdichtung und Prosa-Erzählung ist erst vor kurzem Tatsache geworden, indem die begabte, heute ungefähr fünfzigjährige, in Meppen tätige Gewerbe-Oberlehrerin Maria Mönch-Tegeder, ein Kind des gleichnamigen Hofes in Mehringen, Kirchspiel Emsbüren, ihre unverfälschte plattdeutsche Muttersprache in urwüchsiger Form in die Literatur eingeführt hat. Ihr Buch „Land unner Gottes Thron” (von Dr. Alma Rogge gewürdigt in „Niedersachsen” 52, 1952, S. 30) und ihre geistreiche realistische Schilderung „Plattdütske Romräse mit Härohm, Köster und Börgermester” und kleinere Schöpfungen sind die ersten wirklich bodenständigen Sprachdenkmäler, die der Lingensche Sprachraum aufzuweisen hat. Früher haben sich „Ausländer” wohl in der Lingenschen Mundart versucht, so der vom Hümmling stammende bekannte Pastor B. Köster, der in Spelle und Lengerich tätig war. Sein Roman „Bur, holl faste wat du häst”, in der Oranierzeit spielend, bemüht sich um das Lingener Platt. Der aus dem Osnabrücker Land stammende Lehrer Joseph Tiesmeyer (gest. in Emsbüren) und der 1933 in Spelle verstorbene Lehrer Heinrich Wellmann haben zwar auch mundartliches Sprachgut gesammelt, aber Lautung und Sammelgut sind aus anderer Mundart gemischt, hauptsächlich aus der Osnabrücker Landschaft.
Forschungsmittel zur Erhaltung der Lingener Mundart
Um die akustischen Werte der Lingener Hauptmundarttypen der künftigen Forschung zu überliefern, habe ich im Jahre 1950 drei Magnetophonbandaufnahmen gemacht, und zwar von den Ortsmundarten Bawinkel, Berge (Kirchspiel Emsbüren) und Lohne (Kirchspiel Schepsdorf), im Jahre 1951 von zwei weiteren, nämlich Freren und Mehringen (Kirchspiel Emsbüren), für jede dieser Mundarten je 147 Sätze und eine freie Erzählung. Die diesem Aufsatz beigefügten Sprachkarten beruhen auf einer Auswahl des landeskundlich Wichtigsten aus rund 300 Einzelkarten. Ausführlicher soll der bis jetzt nach direkter Methode gesammelte Sprachstoff in einer Darstellung der ganzen emsländischen Sprachlandschaft behandelt werden.
aus: Baader, Theodor, Mundarten: Der Kreis Lingen im nordwestdeutschen Sprachraum in: Pohlendt, Der Landkreis Lingen, Bremen 194, Seite 242
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