Dr. Bernard Krone

„Der hat noch nicht abgehoben”

Frage: Herr Krone, Sie sind einer der größten privaten Arbeitgeber im Emsland mit den Standorten in Speile und Werlte. Stellen Sie bei Ihren Aufenthalten in Ihren Produktionshallen, Werkstätten und Verkaufsniederlas­sungen einen Unterschied im Gebrauch des Plattdeut­schen bei älteren und jüngeren Mitarbeitern fest?

Antwort: Die älteren Mitarbeiter können fast durchweg Platt, und sie sprechen auch bei der Arbeit unter­einander plattdeutsch. Bei den Jüngeren sieht das bei uns ganz anders aus. Die kla­re Feststellung meinerseits ist – und das wurde mir auch von Fachkundigen aus beiden Betriebsstätten bestätigt: Die älteren Beschäftigten schalten im Gespräch mit jüngeren Kollegen auf Hochdeutsch um, weil letztere das nicht mehr so gut oder gar nicht sprechen können. Es liegt also eine eindeutige Dominanz des Hoch­deutschen zuungunstern des Plattdeutschen vor. Es besteht nach meinen Erkennt­nissen die Gefahr, daß „dat Plattdüske utlöpt”.

Sprechen Sie mit einigen Ihrer Beschäftigten regelmäßig oder gelegentlich platt­deutsch?

Ja, ich stelle es bei mir oft fest, daß ich in betrieblichen Besprechungen vom Hoch­deutschen ins Plattdeutsche wechsele und umgekehrt, etwa in Gesprächen mit dem Betriebsrat. Wenn allerdings Gespräche anstehen mit Controllern zum Bei­spiel, die aufpassen, daß wir nicht pleite sind, ohne es zu merken, da kann ich natürlich kein Plattdeutsch anwenden. Düsse Controllers, fröher gav’t de nich. Use Papa, de wüss ga nich, wat datt was. De ha sien Controlling in so’n Böksken. Doar häb ick noch een paar van. Düsse Dage söch ick, datt he 1954 in so’n Reklameböksken van Fendt schreben ha, wat sonnen Trecker doarmals kosten moss.

Wenn wir in meiner Altersgruppe – auch noch die etwas jüngeren Mitarbeiter – un­tereinander sind im Betrieb, dann kommt es häufig vor, daß wir in offiziellen Be­sprechungen, wo es um bestimmte Strategien geht, diese Punkte auch in Platt­deutsch abhandeln, so ganz selbstverständlich.

Führen Sie geschäftliche Verhandlungen auch ab und zu in Plattdeutsch?

Wenn ich mit Bauern – und mehr und mehr mit Lohnunternehmern – geschäftlich zu tun habe, ist die vorherrschende Sprache Plattdeutsch. Aber mein Vater hat die Weichen so für mich gestellt, daß ich Fabrikant geworden bin und den Verkauf mehr anderen überlasse, so daß der Kundenkontakt nicht ständig vorhanden ist. Selbstverständlich rufen mich allerdings auch Landwirte hier in Spelle oder Werlte an, wenn sie Sorgen und Nöte haben, und fangen das Gespräch auf Plattdeutsch zumeist so an: „Krone, Ih häbt säch, wenn wi wat häbt, dann könn wi bi Ju anroapen!” Dann erwidere ich prompt: Joah, mann loss, wat giv’t dann…?”

Ja, das ist bei uns Familientradition, meine Eltern haben mir das so anerzogen – so habe ich es von ihnen vorgelebt bekommen -, daß ich mit jedermann hier aus der Gegend genauso reden und zuhören kann wie beispielsweise mit dem Präsiden­ten vom Bauernverband.

Bei einem Firmenjubiläum sah und hörte ich Sie leidenschaftlich mit einigen Land­wirten auf Platt diskutieren. Bereiten Ihnen solche Gesprächsrunden in der hiesi­gen Sprache Freude?

Selbstverständlich, da gehöre ich zu jener extrovertierten Personengruppe, der es Freude bereitet, sich anderen mitzuteilen. Ich spreche jeden Tag irgendwann platt, und solche Runden, die Sie da ansprechen, bereiten mir besondere Freude; da brin­ge ich mich leidenschaftlich gerne ein. Ich vermisse es sogar, daß meine heutigen beruflichen Tätigkeiten und Eingebundenheiten es mir kaum ermöglichen, mal bei einem Bauern anzuhalten, um ein spontanes Gespräch auf Platt zu führen.

Wenn mein Vater beispielsweise früher in Freren vorbeifuhr, dann war es selbst­verständlich, daß er im Hotel Roth einkehrte und mit den Bauern, Handwerkern und Kaufleuten (ganz besonders erinnere ich mich dabei noch an Schnöckelers Karl) beim Bier auf Plattdeutsch Neuigkeiten austauschte. Wenn dann dort auch Lehrer der damaligen Mittelschule anwesend waren und er sich nebenbei nach meinem Leistungsstand in der Schule erkundigte, verging ihm regelmäßig der Bier­durst, weil ich wohl ein eher fauler Schüler gewesen sein muß…

Was schätzen Sie besonders am Plattdeutschen?

Neben dem bisher Erwähnten denke ich – und das habe ich bei mir selbst erfah­ren -, daß einem der Zugang zu anderen Sprachen leichter fällt. So habe ich neben dem Englischen auch relativ leicht das Niederländische erlernt, und ich höre bei meinen Kontakten mit unseren Grenznachbarn häufig: „U spreekt heel goed nederlands, meneer!” Für mich ist es selbstverständlich – und da müssen viele Deut­sche sicherlich noch umdenken – in einem Gastland, vor allem wenn es vor unse­rer Tür liegt, auch die dortige Sprache zu sprechen. Ich zahle dort auch grundsätz­lich in Gulden.

Die Besonderheiten des Plattdeutschen im Hinterkopf, hat es mich während mei­nes Ingenieurstudiums in Köln auch gereizt, den Kölner Dialekt zu probieren. Nach einigen Glas Kölsch wurde auch die Sprache zunehmend kölsch. Das stelle ich überhaupt in anderen Teilen Deutschlands im Gegensatz zu den Plattsprechern fest: Wie selbstverständlich man sich dort auch Auswärtigen gegenüber ungeniert der Mundart bedient. Da können wir hier einiges lernen.

Was schätze ich sonst noch am Plattdeutschen? Über diese unsere norddeutsche Sprache ist es bedeutend einfacher, mit den heimischen Mitmenschen ins Ge­spräch zu korrimen. Es ist einfacher „Ih” als „Sie” zu sagen, man kommt schneller an das Innere des Gesprächspartners. Dort ist eine Vertrautheit. Ich kann durch meine plattdeutsche Sprache auch meine innere Überzeugung kundtun, daß die Leute ehrlich davon überzeugt sind, „der Krone” ist noch bodenständig, er gehört zu uns Emsländern, der gehört zu uns Bauern, der hat noch nicht abgehoben.

Haben Sie auch unliebsame Erfahrungen mit der plattdeutschen Sprache gemacht?

Nein, überhaupt nicht!

Wie beurteilen Sie die Zukunft dieser Sprache?

Ich bedauere es, daß das Plattdeutsche offensichtlich ein Auslaufmodell ist, „dat et utschlitt”. Das hat sicherlich auch damit zu tun, daß wir nicht auf Plattdeutsch re­gelmäßig im Alltagsgeschäft lesen und schreiben.