Rezension des Buches: “Wat, de kann Platt?”

 

Helmut LENSING / Bernd ROBBEN / Christoph SPANNHOFF (Hg.), Wat, de kann Platt?’ Selbstzeugnisse, Geschichten und Gedichte aus dem Münsterland und dem Osnabrücker Land. Meppen: Studiengesellschaft für emsländische Regionalgeschichte 2021. 384 S., zahlr. Abb.

Der vorliegende Band ist eine Sammlung vielfältiger Beiträge zur niederdeutschen Sprache im Osnabrücker Land und Münsterland. Im Mittelpunkt stehen „Selbstzeugnisse” unterschiedlichster Menschen über ihre Erfahrungen mit dem Niederdeutschen. Weitere Texte sind niederdeutsche Geschichten, Gedichte und Lieder. Die Selbstzeugnisse sind überwiegend auf Hochdeutsch, teilweise aber auch auf Niederdeutsch.

Das Buch kann in eine Reihe gestellt werden mit „Niederdeutsch heute“ von 1976 und „Watt, de kann Platt“ von 1998. so dass sich dadurch sogar fast eine chronologische Abfolge von Berichten zur Sprachsituation mit jeweils ungefähr 20 Jahren Abstand erstellen lässt. Bedauerlicherweise macht dieser Vergleich auch sichtbar, dass die aktive Niederdeutschkompetenz weiterhin nachlässt.

Das Konzept bietet eine Mischung der Beiträge, so dass ein abwechslungsreiches Lesevergnügen ermöglicht wird. Man kann aber auch über das Inhaltsverzeichnis systematisch Beiträgecintelnerkstsorten auffinden, was dazu führt, dass das Inhaltsverzeichnis keine auf-steigenden Seitenzahlen aufweist, sondern eher wie ein (alphabetischer) Index funktioniert.

Wegen der großen Anzahl (über hundert) der Beiträge ist es leider nicht möglich, auf alle kurz einzugehen, und um niemanden zu bevorzugen, werden keine Namen einzelner Beitragender genannt. Daher folgt hier nur eine kurze Skizze der verschiedenen Inhalte. Das systematisch aufgebaute Inhaltsverzeichnis erlaubt einen Zugriff eher nach Textsorten, allerdings sind sie Im Buch an unterschiedlichen Stellen positioniert, so dass auch Menschen mit der Gewohnheit, Bücher von vorne bis hinten zu lesen, eine abwechslungsreiche Lektüre erwartet. Drei Beiträge sind Einführungen zur Situation des Niederdeutschen ins Münsterland und im Osnabrücker Land sowie zum Sprachwandel im Niederdeutschen, wodurch auch diejenigen, die sich nicht wissenschaftlich mit dem Niederdeutschen befassen, einen guten Einblick in die Situation der Sprache und die Abgrenzung von Nachbardialekten erhalten. Den größten Anteil des vorliegenden Buches machen die Selbstzeugnisse aus. In 76 Beiträgen und Interviews werden unterschiedlichste Zugänge, Geschichten und Erinnerungen dargeboten. Dabei werden neben sehr persönlichen Erfahrungen auch Einblicke in die Verwendung des Niederdeutschen in Schule und Arbeit bis hin zur Altenpflege gegeben. Außerdem werden Wege in die Wissenschaft beschrieben. Blicke von innen und außen auf die Sprache der behandelten Region sowie auf die benachbarten Mund arten eröffnen viele Perspektivenwechsel hinsichtlich des Plattdeutschen — dieser Begriff wie schon im Titel erkenntlich, ist im Buch der am häufigsten verwendete Ausdruck für Niederdeutsch. Viele Beiträge teilen aber nicht nur Erinnerungen, sondern bieten auch Ausblicke und stellen vielfältiges Engagement für den Erhalt des Plattdeutschen vor. Und natürlich ist auch Identifikation und Heimatgefühl ein wichtiges Thema in den Beiträgen.

Eine weitere Textsorte sind zwölf Gedichte von sieben Autorinnen und Autoren, die an unterschiedlichen Stellen des Buches eingefügt sind. Die Autorinnen und Autoren werden beim ersten ihrer Gedichte vorgestellt. Weiterhin gibt es zehn Geschichten, die ebenso wie die Gedichte in niederdeutscher Sprache verfasst sind und so Beispiele unterschiedlicher Dialekte der Region bieten. Der Ansatz bei den Liedern, bei denen eine Vertonung des bekannten „Pöggsken” ebenso wie „Dat du min Levsten büst” nicht fehlen darf, ist etwas anders: Die Lieder werden in einem kurzen Text vorgestellt, das Lied selbst findet man über einen QR-Code, der zu einem Video führt. Der Text ist nicht abgedruckt (wobei „Dat Pöggsken” in einem anderen Beitrag als Erinnerung wiedergegeben wird).

Das als Hardcover vorliegende Buch ist sehr ansprechend aufgemacht. Die Autorinnen und Autoren werden mit Bild vorgestellt, viele Beiträge sind reich bebildert. Nicht nur zu den Liedern gibt es QR-Codes, auch viele andere Beiträge sind mit Codes versehen, über die die Sprache der Verfassenden hörbar gemacht werden kann. Weiterhin werden oftmals weitere Informationen in Wort und Bild verfügbar gemacht. Dadurch ist dieses Buch eine vielseitige, unterhaltsame Quelle für viele Menschen, die mit völlig unterschiedlichen Interessen am Plattdeutschen dieses Buch zur Hand nehmen. Gerade für eine Kleinsprache wie Niederdeutsch ist das Verlassen der Grenzen des Buches ein wirklich gelungener Ansatz, für den man Herausgebern und Verlag nur danken kann.

Das Buch bietet eine Vielzahl an wissenschaftlichen Informationen, Einblicke in Sprachgebrauch und Kultur der beschriebenen Regionen sowie unterschiedlichste Sprachbeispiele in Form von Texten und Liedern. Dadurch eignet es sich für ein breites Publikum.

Osnabrück/Oldenburg                                                                                        Stefan Tröster Mutz