Schon der Vater von Heinrich Hensen war Autor

Geert Hensen

 

von Sohn Heinrich Hensen

 

Geert Hensen wurde am 14. April 1873 in Osterwald geboren und hat sein ganzes Leben dort auch zugebracht, wenn man von den Jahren 1916 bis 1918 absieht, in denen er als Train­soldat nach Köln und Lodz (Polen) kam.

Er war das sechste und jüngste Kind der Eheleute Jan Hensen und Janna, geborene Dobben, aus Hohenkörben. Von ihr hatte er wohl „die Lust zum Fabulieren” geerbt,  denn von den Schwestern unserer Großmutter wissen wir, daß sie Briefe in Versform schrieb, wie es Vater ja Zeit seines Lebens gern tat. Merkwürdigerweise ist er der einzige in der Geschwisterreihe, der sich in dieser Weise betätigt hat. Lei­der starb seine Mutter schon im Alter von 48 Jahren, als er erst sechs Lenze zählte. Zu seiner zweiten Mutter, die ein Jahr später ins Haus kam, hat er wohl nie eine rechte Beziehung gefunden. Er und seine Geschwister hatten sie immer Mütterchen genannt. – Wahrscheinlich ist er des­halb früh vereinsamt, denn er hat nie davon gesprochen, daß seine um drei bzw. sechs Jahre älteren Schwestern sich sehr um ihn gekümmert haben. Sein jüngster, um neun Jahre älterer Bruder Friedrich scheint ihm näher gestanden zu haben. Er wanderte mit 17 Jahren  nach Amerika aus, wohl um dem drohenden Militärdienst zu entgehen. Er verunglückte dort bald in den Pullman-Waggon-Werken in Rozeland beim Rangieren. Seine silberne Taschenuhr erbte Vater und ist heute in meinem Besitz (Gravur: F. H.). – Diese beiden To­desfälle haben ihn wohl sehr beeindruckt. Als er 16 war, starb auch sein Vater im Alter von 62 Jahren. Die Volksschule besuchte er zunächst in seinem Heimatort, später wechselte er die Schule bzw. Lehrer, indem er eine Zeitlang in Esche zur Schule ging. Seine Erlebnisse dort sind in meinem Buch „ Knetsoahm vertäild“ (Seite 53 ) festgehalten.

Etwa mit 16 wurde er Kleinknecht in Osterwald, später in Alte Piccardie (1892/93), dann wieder in Osterwald beim Kolon Plescher, wo er unsere Mutter kennen lernte. In seinem Schwiegervater Hindriik Plescher (1841 – 1928) fand er einen Mann, der ebenfalls gerne Verse machte. Von ihm gibt es (im Familienbesitz) ein langes Gedicht in holländlischer Sprache über den Krieg 1870/71. Es wurde damals bei Kip in Neuenhaus gedruckt und im „Grafschafter”, Januar 1971 von Dr. H. Heddendorp besprochen.

Im Jahre 1893 begann er, seine „Gedichte” in ein fest gebundenes Heft einzutragen. Ich nehme an, daß er sie zu einem früheren Zeitpunkt verfaßt hat, denn fast alle sind tief religiös und todesdüster. Er beschreibt darin die Hölle, einen Leichenzug (Bruder Friedrich?), den Himmel, das Ende eines Trinkers, den Weg des Gottlosen und dergleichen. Diese Verse – in Deutsch oder Holländisch verfaßt – stehen im krassen Gegensatz zu seinen plattd­eutschen Gedichten, die durchweg heiter sind. Mit 27 Jahren, als er einen eigenen Hausstand gegründet hatte, begann er seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, die allerdings nur die frühen Kinderjahre enthält. Im Jahre 1952 hat er sie dann fortgesetzt. Dieses Heft, das auch viele Angaben zur Familienchronik enthält, wird im elterlichen Hause aufbewahrt. 

Im Jahre 1900 heiratete er unsere Mutter, Jenne, geb. Plescher, und nahm Wohnung in Osterwald, Haus Nr. 20. Haus und Hof hatte er mit finanzieller Hilfe seines Schwiegervaters und Bruders für 10875 Mark erworben. Anfängliche Schwierigkeiten meisterte er mit seiner tüchtigen Frau, die ihm acht Kinder schenkte.

Vater war ein ungewöhnlicher Mensch. Er setzte sich abends unter den Lindenbaum und sang mit seinen Kindern Lieder, die er auf der Ziehharmonika begleitete. Er kannte viele Vogelstimmen und beobachtete die Natur. Auch erzählte er gern. Viele seiner Erinnerungen habe ich in meinem Buch „Knetsoahm vertäild“ festgehalten.

Einen Arzt kannte er nicht, er lebte natürlich und gesund. Im Winter wusch er sich gern den Oberkörper mit frischem Schnee, im Sommer ging er gerne morgens barfuß durch die taunassen Wiesen. Von den wenigen Büchern, die er besaß, scheinen mir das „Doktorbuch“, Pfarrer Heumanns Kalender, Bunyans Pilgerreise, Ch. H. Spurgeons „Reden hinter dem Pflug” und ein bescheidenes Fremdwörterbuch erwähnenswert.

Ein Fernrohr besaß er ebenfalls, aber einen Hang zur Jagd habe ich nicht festgestellt. Auf dem Hof machte er viele Dinge selbst in Ordnung, alles Gerät war stets an seinem Platz, gepflegt und geölt. Er warf nur etwas weg, wenn es nicht mehr zu gebrauchen war.

Die Versemacherei behielt er bis zum Lebensende bei. Sein erstes Gedicht, das veröffentlicht wurde (Oktober 1892): „Ach, das Kartoffelschälen“, trägt bescheidene sozialkritische Züge. In der Folgezeit konnte es ihm einfallen, über Ereignisse des Alltags plötzlich ,,Gedichte” zu machen. Sie sind zum Teil aber nur bruchstückhaft überliefert. Trotzdem habe ich den Versuch gemacht, seine uns erhaltenen Gedichte und Verse, von denen viele später im ,,Grafschafter” oder in den Jahrbüchern veröffentlicht wurden, zusammen zu stellen. Sie scheinen es mir wert zu sein, der Nachwelt – hauptsächlich den Kindern und Enkelkindern – erhalten zu bleiben.

Vater starb im Alter von 86 Jahren am 10. August 1959 und liegt auf dem Friedhof in Veldhausen begraben, an der Seite unserer Mutter, die ihm am 24. 5. 1972 im Alter von reichlichen 90 Jahren folgte.

Fotos: Familie Hensen