Hermann Fenbert

Selbstbewußtsein zeigen!

Plattdeutsch ist meine Muttersprache. Die ersten Wör­ter, die ich mir als Kind unbewußt einprägte, waren aus dem Plattdeutschen. Mit meinen Eltern und Geschwi­stern fand die Kommunikation auf Plattdeutsch statt. Hochdeutsch habe ich bewußt erst nach der Einschu­lung gelernt. Und ich gebe zu, das inhalierte Platt­deutsch war für die Umstellung auf Hochdeutsch eine Hürde. Zur Zeit meiner Kindheit wurde zu Hause in der Familie, aber auch im Dorf und in der dörflichen Umge­bung plattdeutsch gesprochen.

Erst mit meinem Eintritt ins Internat in Papenburg wurde Hochdeutsch auch zur täglichen Umgangssprache. Der Übergang vom Hochdeutschen ins Plattdeutsche erfolgt immer noch ansatzlos. Plattdeutsch habe ich hin und wieder zu schreiben versucht. Die Schreibweise und Grammatik ist nicht so exakt definiert, daß das Schreiben flüssig von der Hand geht. Dies beruht wohl auch darauf, daß das Platt­deutsche von Dorf zu Dorf – also auf engstem Raum – variiert. Es ist eine Sprache, die mündlich weitergegeben wird, die sich gleicher schriftlicher Fixierung selbst für eine Region entzieht (Dietrich Ohlmeyer hat dies in „Dat grode Plattdütsch-Book”, Verden/Aller, 1997, sehr plausibel beschrieben)

Als ich aus beruflichen Gründen nach Süddeutschland zog und nach einigen Jah­ren aufgrund regionaler Zuordnung der Aufgaben wieder nach Norddeutschland, insbesondere ins westliche Niedersachsen kam, war das Plattdeutsche nicht selten der Türöffner zum Geschäftspartner. Ich habe das Plattdeutsche dann auch bei of­fiziellen Veranstaltungen für Begrüßungen oder für Grußworte eingesetzt. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall in Verbindung mit Plattdeutsch führte direkt zu Nachfragen, Wieso und Warum, und war nicht nur Gesprächsstoff, sondern bot Anknüpfungspunkte für weitere Beziehungen.

Die gute Verbindung zum Plattdeutsch-Fan und Herausgeber des oben erwähnten Buches, Herrn Dietrich Ohlmeyer, den ich beim Genossenschaftsverband Hanno­ver kennenlernte und der später als Wirtschaftsprüfer Jahresabschlüsse der Bausparkasse Schwäbisch Hall testierte, als ich für das Rechnungswesen der Bausparkasse zuständig war, beruht sicher auch auf unserer gemeinsamen Spra­che Plattdeutsch.

Auffällig für mich war, daß immer dann, wenn wir uns auf dem Weg von Schwä­bisch Hall ins Emsland Münster näherten oder passiert hatten, wir unbewußt unsere Unterhaltung ins Plattdeutsche wechselten. In Schwäbisch Hall sprechen wir in der Familie nicht plattdeutsch; sind wir im Emsland, fließen schon plattdeutsche Sätze ein. Bestimmte Aussagen lassen sich in Plattdeutsch besser sagen als auf Hochdeutsch.

Plattdeutsch ist zu pflegen, wenn es erhalten bleiben soll. Während meiner Kind­heit war es die Sprache in der Familie und in der Umgebung. Heute spreche ich mit gleichaltrigen Bewohnern in Hesselte plattdeutsch, mit jüngeren ohne Über­gang Hochdeutsch. Plattdeutsch ist selbst in landwirtschaftlichen Haushalten nicht mehr die Tagessprache. Also: Pflege tut Not, wenn die Sprache erhalten bleiben soll. Es ist eben keine Mundart, also ein eingefärbtes Hochdeutsch, sondern eine Sprache, die verlangt: Entweder spreche ich hochdeutsch oder plattdeutsch. Daher ist die Pflege der Sprache erforderlich.

Bisherige Veröffentlichungen auf Plattdeutsch und weitere Veröffentlichungen al­lein werden die Sprache nicht erhalten können. Es muß wieder eine mündliche Überlieferung einsetzen! Und es gibt eigentlich keinen Grund, sich dieser Sprache zu schämen. Mit dem wachsenden Selbstbewußtsein über die wirtschaftliche Ent­wicklung in Norddeutschland wird hoffentlich auch das Selbstbewußtsein für das Plattdeutsche wieder wachsen.