Ein Architekt und ein Viehhändler berichten

Botterbernd und Pöttker berichten in diesem Buch darüber welche Rolle die plattdeutsche Sprache in ihrem Leben spielt?

 

 Botterbernd: Ich bin mit meinen Geschwistern ausschließlich in der plattdeutschen Sprache groß geworden. In meiner Kindheit sprach in Elbergen jeder Platt außer dem Pastor und dem Lehrer. Aber die konnten es auch, zumindest verstehen. Was sollte der Pastor denn sonst machen in der Beichte, er hätte die Sünden seiner plattdeutschen „Schäfchen“, die natürlich auch im Beichtstuhl plattdeutsch sprachen, sonst ja gar nicht verstehen können. Auch der Lehrer musste doch wissen, was seine „iMänneken“ so auf dem Herzen hatten, bevor er sie zu Hochdeutschsprechern machte.

 Pöttker: Auch bei uns im Haus wurde nur plattdeutsch gesprochen. Nicht nur meine Mutter sprach mit mir platt, alle Bürener sprachen platt, bis auf den Pastor und die Ärzte. Auf den Bauernhöfen war es natürlich selbstverständlich, dass platt gesprochen wurde. Eigentlich misstrauten die Landbewohner jedem, der auf den Hof kam und hochdeutsch sprach, es sei denn, er war durch seinen Beruf ausgewiesen (etwa der Amtstierarzt).

 Botterbernd: Während meiner Ausbildung auf dem Bau habe ich auch ausschließlich platt gesprochen. Mit dem Studium und meiner beruflichen Tätigkeit mehr im städtischen und kirchlichen Bereich habe ich dann fast nur noch hochdeutsch gesprochen.

Wenn ich allerdings zu den Kirchenbauten nach Heede, Dersum, Lünne oder Baccum kam, sprach ich durchaus auch platt mit den Bauhandwerkern.

Ich glaube, das schätzte man auch an mir.

Ich stelle fest, dass in den Familien meiner Geschwister kaum noch plattdeutsch gesprochen wird.

 Haben Sie Ihre Kinder plattdeutsch erzogen?

Beide übereinstimmend: Nein.

 Botterbernd: Das war in der Stadt ja ohnehin nicht üblich.

 Pöttker: Als meine Tochter Kerstin geboren wurde, sprachen auch schon die meisten Landwirte auf Druck der Schulen mit ihren Kindern nicht mehr plattdeutsch. in meiner Kindheit war das anders:

Die angestammte Sprache im Emsland war bislang das Plattdeutsche. Es war die Muttersprache, das bedeutete: Die Mutter zu Hause sprach mit der ganzen Hausgemeinschaft plattdeutsch, die Dorfgemeinschaft bediente sich ausschließlich der Mundart. Wenn Fremde kamen, versuchte man Hochdeutsch zu sprechen, das dann oft seltsam klang. 

Schwierig war diese Sprachsituation für die Heimatvertriebenen im Emsland. Viele Emsländer blieben einfach bei ihrem Platt. In bestimmten Berufszweigen – so etwa im Bauhandwerk – war das Plattdeutsche bis noch vor wenigen Jahren Standard. So gab es etliche jüngere Flüchtlinge, die in den ersten Jahren nach dem Krieg Plattdeutsch erlernten, um im Beruf und auch im sonstigen Leben im neuen Umfeld bestehen zu können.

Einen deutlichen Einschnitt im gesellschaftlichen Stellenwert erfuhr die angestammte hiesige Sprache ab Mitte der sechziger Jahre, als im Rahmen der kirchlichen Erwachsenenbildung Schulleiter als Referenten den Eltern dringend rieten, mit ihren Kindern zu Hause nur hochdeutsch zu sprechen, damit würden viele der bisherigen sprachlichen Probleme der Landjugend wegfallen – so behaupteten sie.

Das Problem war nun, dass viele Eltern kein korrektes Hochdeutsch sprachen und sich Sprachfehler bei den Heranwachsenden einbürgerten.

Bei meinen täglichen Besuchen auf den Bauernhöfen habe ich da tolle Wort – und Satzkonstruktionen gehört aus der Kombination „Hoch –Platt“. Ich hätte sie mir aufschreiben sollen…

Fotos: Archiv Robben