Hochzeitsreise junger besitzloser Nordwestdeutscher

Eine sehr einfühlsame Beschreibung der damaligen wirtschaftlichen und sozialen Lage junger besitzloser Landbewohner in Nordwestdeutschland ist dem plattdeutschen Autor Alfons Sander gelungen.

 

http://13.08.2015, https://www.noz.de/lokales/herzlake/artikel/605858/herzlaker-autor-alfons-sanders-wird-90-jahre-alt#gallery&0&0&605858

De Hochtiedsreise

von Alfons Sanders

Veldmanns August deinde bi Eenhuus-Buur as grote Knecht. Siene Bruut Greite was up Aoselaoge as Maoget. Se beiden wulln all lange un gern Hochtied holten, man se harn kien Huus, wor se intrecken kunnen. ‘ne Hüürmannsstäe möss et all wäsen, ‘n änner Unnerkaomen geef et hier tau Lande nich. So bleef ehr blot dat Eine, solange wachten, bit in de Ümmgägend maol ‘n wat frei würd.

Se dröpen sück merst elkern Sönndagnommdag up den Weg unner de ollen Hoffeiken. Dann güngen se beide Arm in Arm dör’t Holt un an Feller un Wisken langs. Se möken Plöne, vertellden sück, wat se so in de Wäke seihn un beläwet harn un harn sück heller leif.

De Sommer har sien Beste daon. De Roggengorwen stünnen in Hocken, of se wörn all dröge in de Schüre. An düssen Sönndag köm Greite ehren August all achtern Aoselaoger Hoff taumeute. „Du, August, ick weit wat Neies”, begünnt se iewerig, „ick kann ja gaut mit miene Buurnlüe. Van Vömmdag heff de Buur mi verteilt, dat in Eeren de Hinrichs Wilm ut de Tied gaohn is. Nu sitt de Witfrau allennig up dat Hüürwark. Se will et upgäwen un nao ehre Dochter trecken. Wenn wi beiden Maut harn, de Stäe tau öwernähmen, mende use Buur, dann will he woll ‘n gaut Woort för us inleggen.” August greep siene Greite unner de Armes un böörde se hoch up. „Greite, du büst ‘n Engel! Wisse hebbt wi beiden Maut, menst du nich uk?” Un Greite straohlde öwer ‘t heile Gesicht: „Jao, August, wi beiden!”

Up de Stäe güngen de beiden taugange nao Eeren tau. Se proteden mit Künneken Buur. De wull sück dann noch äwen bi ehre Buuren — wor se in Stäe wörn — ümmhören. Wenn se beide ‘n gauden Roop harn, dann kunn dat woll wat wern.

Man uk mit Hinrichs Fina, de Witfrau, proteden se. Jao, uk mit de kömen se däget kloor. Van ehr kunnen se sogor ‘n groot Deil van de Huushollgen — wat se nich mehr brukede — günstig öwernähmen.

An den ännern Sönndag würden se mit Künneken Buur drocke kloor. Se kunnen all binnen kotten in dat Hüürhuus intrecken. Fief Hektor Land un Weiden kregen se taudeilt. Dorför möss August hunnert Daoge in’t Johr bi’n Buur helpen. So was dat up de mersten Hüürstäen Bruuk.

Nu was et Tied van Hochtied hollen. Man se wörn beide van Huus ut helsken sünig. Ehr meiste Geld; wor se lange öwer spoort harn, was ampat för de Huusholgen drup gaohn, de se van Hinrichs Fina öwernaohmen harn.

„Weißt du wat”, see August tau siene Greite, „wi beiden gaoht up Hochtiedsreise!” „Dat kummp us ja noch dürer tau staohn, as Hochtied fieren”, mende Greite. Dann müsterde August siene Greite wat in ‘t Ohr, wat kieneine änners hören dröfte. „Jao”, see Greite un schmüsterde, „wenn dat so räken geiht, dann man tau!” Dat Huus, wor se intrücken, leeg allennig un ‘n Stück van ‘t Dörp weg. De Verwandtskup un uk de Naobers kregen Bescheed, dat dat junge Poor up Bruutreise güng un kiene Hochtied fieren wull. Dat was ja heel wat Neies un was uk gägen den Bruuk. Man se mössen et ja sümmes wäten.

De Pastor geef ehr den Sägen, un se beiden wören ein Poor. Ehr Küfferken un de Taske mit den Reiseproviant harn se all unnerstellt. So kunnen se van de Karke ut liekut nao’n Baohnhoff. In Lämkhusen stegen se in, un de Hochtiedsreise begünnt. Man in Essen/O. was ehre Reise all tauende. August wüssde hier gaut Bescheed. He nöhm dat Küfferken un Greite den Kort. Arm in Arm güngen se tau ‘t Hülsenmoor herin. Et was ‘n mojen sünnigen Harfstdag. Achter einen groten Törfhoop foldeten se ehre wülln Däke uteine un löten sick bi’nänner daol. Dann was et an de Tied, dat de Hochtiedsmaoltied updisket würd.

Greite packede ut, wat se in ehren Wäenkorf mitbröcht har. Sogor ‘nen Kauken har se backet, un den drögen Schinken, den August van Eenhuus-Buur mitkrägen har, har se anschnäen un ‘n dick Stück d’r van mitnaohmen.

So fierden de beiden up ehre Ort un Wiese ehre Hochtied in ‘t Greune un glöweden, dat se de glückelsken Mensken unner Gottes moje Sünne wörn. Mit den lesden Aovendzug föhrden se weer trügge. Se trücken de Gardinen tau un stickeden in ‘n Huuse kiene Lucht an. Löter wüss kien Menske, wänner se weerkaomen wassen.

in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes, Band 51, 2005, Seite 134 – 136

Foto: Kreismuseum Bersenbrück

Eine “Schnellübersetzung” dazu:

Die Hochzeitsreise

August Feldmann war als Großnecht beim Bauern Einhaus angestellt. Seine Braut Grete diente in Aselage als Magd. Sie hatten sich schon lange vorgenommen, ihre Hochzeit zu planen. Sie fanden jedoch kein Haus, in das sie einziehen konnten. Sie warteten auf eine freiwerdende Heuerstelle, denn eine andere Wohnstätte gab es auf dem Lande nicht.

So war es ihr Los, ganz einfach zu warten.
Sie trafen sich zumeist sonntags nachmittags unter den alten  Hofeichen. Dann gingen sie Arm in Arm durch den Wald, die Felder und die Wiesen. Sie schmiedeten Pläne und erzählten sich, was beide in der Woche so erlebt hatten.

Die Sommerzeit war schon ein wenig fortgeschritten und die Ernte unter Dach und Fach.

An diesem Sonntag kam Grete ihrem August schon hinter dem Aselager Hof entgegen. „Du, August, ich habe eine Neuigkeit, “ erzählte sie eifrig. „ ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Bauersleuten. Heute Vormittag hat mir der Bauer erzählt, dass in Ehren der Wilhelm Hinrichs gestorben ist. Nun steht seiner Witwe alleine dort vor der Arbeit in ihrer Heuerstelle. Sie möchte den Betrieb aufgeben und zu ihrer Tochter ziehen. Wenn wir nun den Mut haben, diesen Betrieb zu übernehmen, dann will unser Bauer ein gutes Wort für uns einlegen.“ August hob seine Grete vor Freude in die Höhe. „Du bist ein Engel, natürlich haben wir beide den Mut, meinst du nicht auch…“ und Grete strahlte über das ganze Gesicht:  „Ja August, wir beiden!“
Sofort machten sich beide auf den Weg nach Ehren. Sie sprachen mit dem Bauer Künneken..
Dieser wollte sich aber zunächst noch mit den Landwirten, bei denen die beiden zurzeit in Diensten standen, erkundigen. Wenn sie beide dort einen guten Ruf hätten, dann könnte ein Vertrag wohl zustande kommen.

Auch mit der Witwe Fina Hinrichs sprach das junge Paar. Man wurde sich mit ihr über die Nachfolge einig. Von ihr konnten sie sogar einen großen Teil des Haushaltes günstig übernehmen.

Am folgenden Sonntag schlossen sie mit dem Landwirt Künneken als Vermieter  einen Pachtvertrag. Sie konnten schon nach kurzer Zeit in das neue Haus einziehen. 5 Hektar Land und Weiden bekamen sie zugeteilt, dafür musste August 100 Tage im Jahr bei dem Bauern helfen. So war es Brauch auch bei den meisten Heuerstellen.

Nun kam die Zeit, dass sie an die Hochzeit denken mussten. Sie waren es von ihren eigenen Familien her gewohnt, dass man recht sparsam Haushalten musste. Das meiste angesparte Geld war für die Übernahme des Haushaltes angelegt worden, das sie von Tina Hinrichs übernommen hatten.

„Weißt du was,“ sagt der August zu seiner Grete, „wir beiden gehen auf Hochzeitsreise!“ „ Das wird uns ja noch teurer werden als eine Hochzeitsfeier,“ meinte Grete. Dann flüstere August seiner Grete etwas ins Ohr, was niemand anderes hören durfte. Daraufhin lächelte Grete und kommentierte: “Wenn sich das so rechnen lässt, dann bin ich dafür…“
Die Verwandtschaft und auch die Nachbarn erhielten den Bescheid, dass das junge Paar auf Brautreise sich begeben würde und deshalb keine Hochzeit feiern würde. Das war nun etwas völlig Neues und stand gegen die bisherigen Gepflogenheiten. Aber im Dorf war man sich darüber einig, dass die jungen Leute das selbst zu entscheiden hätten.
Der Pastor gab seinen Segen und die beiden wurden ein Paar.

Ihr Köfferchen und die Tasche mit dem Reiseproviant hatten sie schon untergestellt. So konnten sie von der Kirche aus direkt zum Bahnhof wechseln. Sie stiegen in den Zug ein und die Hochzeitsreise begann.

Aber in Essen/Oldenburg war ihre Reise schon zu Ende. August wusste hier genau Bescheid. Er nahm das Köfferchen und den Korb. Arm in Arm spazierten sie ins Hülsenmoor hinein. Es war ein wunderschöner Herbsttag. Hinter einem großen Torfhaufen falteten sie ihre wollene Decke auseinander und nahmen gemeinsam darauf Platz. Dann war es an der Zeit, das Hochzeitsmahl zu halten. Grete packte aus, was sie in ihrem Weidenkorb mitgebracht hatte. Sogar einen Kuchen hatte sie gebacken und der trockene Schinken, den August von seinem Hofbauern mitbekommen hatte, wurde angeschnitten und ein dickes Stück davon gegessen. So feierten die beiden auf ihre Art und Weise ihre Hochzeit im Grünen und glaubten, dass sie die glücklichsten Menschen unter Gottes schöner Sonne wären.

Mit dem letzten Abendzug fuhren sie wieder zurück. Sie zogen die Gardinen zu und zündeten ein kleines Licht an. Später wusste kein Mensch aus ihrer Umgebung, wann sie wiedergekommen waren.

 

Das Foto zeigt eine Heuerlingshochzeit in Brockhausen bei Lingen. Es stammt aus dem Hofarchiv Brockhaus.