Hermann Lühle (Papenburg)

Vom Bazillus befallen

Mit der plattdeutschen Sprache bin ich groß geworden. Bei uns zu Hause wurde nur plattdeutsch gesprochen. Mein Vater war ein Verehrer der plattdeutschen Sprache. Er hatte unzählige Witze und Gedichte in Plattdeutsch auf Lager. Wir Kinder waren immer froh, wenn unser Vater die Gedichte „Dat Voggelnöst”, „De Bur un de Uhr”, „Dat driftige Middel” und viele andere im Familienkreis vortrug. So ist es nicht verwunderlich, daß auch ich von diesem Bazillus befallen bin. Alle diese Gedichte und Dönkes sind somit mündlich von Generation zu Generation überliefert worden. Noch heute trage ich sie immer wieder gerne auf Feierlichkeiten vor und stelle dabei fest, daß alle viel Spaß an diesen Gedichten haben. Einen gehörten Witz, den man nur in Plattdeutsch erzählen kann, habe ich in Gedichtform gebracht und füge ihn bei.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die plattdeutsche Sprache hier in Papenburg (im Nordhümmling sowieso) immer noch die Sprache ist, in der man miteinander kommuniziert (ausgenommen leider die jüngere Generation). In meinem beruflichen Leben – ich bin Gerichtsvollzieher – ist die plattdeutsche Sprache von unschätzbarem Wert. Wenn ich zu den Leuten komme, hochdeutsch spreche und womöglich noch meinen Dienstausweis demonstrativ hochhalte, nehmen die Schuldner (so nennt man die Leute, die ich aufsuchen muß) unwillkürlich eine Protest- und Abwehrhaltung ein, und es ist schwer, ihnen näher zu kommen. Spreche ich aber plattdeutsch und beginne meinen Besuch mit einem freundlichen Gruß auf Platt, ist der menschliche Kontakt sofort hergestellt, mein Gegenüber legt seine Scheu vor der „Amtsperson” ab, und ein gegenseitiges Vertrauen ist aufgebaut.

Ich bin jetzt seit über 25 Jahren im Gerichtsvollzieherdienst tätig (sowohl in Gro߬städten wie auf dem Lande) und habe in all den Jahren festgestellt, daß mein Beruf mit Hilfe der plattdeutschen Sprache auf dem Lande wesentlich einfacher ist als in den Städten bei Leuten, die der plattdeutschen Sprache nicht mächtig sind.

De Koh ut Papenburg

Een Bur ut Papenburg was froh,

he harr sick kofft ne neeje Koh.

Een Joahr dornoah to de Winterstiet

– dann hebt de Burn ne Masse Tiet

doar kamm so up eenmoal, so Knall up Fall,

de Noaber bi em innen Stall.

 

„Du Hinerk, sägg es, wu is`t met’t Veeh?

Bis du met diene neeje Koh tofree?”

„Joa”, säg Hinerk, „dat ick de wall lieden mag,

de gif so dättig Litter Melk annen Dag

met sewen Prozent Fett dör Dag un Tiet,

dor is jeden Bursmann blied!

 

Blaot eene Macke heff dat Deer,

un de makt mi heelwiss kien Pläseer.

Denn pack ick em an’t linke Titt

– un dat is heel gediegen -,

dann fang den Düwel an’t hauen un an’t miegen.”

 

„Du Hinnerk, sägg es, kump de Koh ut Loathen?”

„Joa! Man dor bin ick awer platt.

Doch sägg mi äs, wu weeß du dat?”

„Och nä, ick meen man blaot, doar loat us man nick öwer proaten,

awer miene 0llske, de kump ock ut Loathen.”