Plattdeutsch war einst verboten

Gymnasiasten durften Sprache der „ungezogenen Jugend“ nicht sprechen!

 

von Horst Heinrich Bechtluft, Twist

Diese ausdrucksvolle Karikatur mit Text stammt aus dem Buch Wat, de kann Platt.

Mittlerweile ist der NDR – Korrespondent mit der markanten Stimme im Ruhestand …

Horst Heinrich Bechtluft (Twist)

„Platt is cool“ sagt die Emsländische Landschaft e.V.

Deren Kulturförderung für die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim veranstaltet ein Niederdeutsches Festival unter dem Motto „Platt Satt“. In Papenburg macht eine Initiative „Freedag is Plattdag“ auf die althergebrachte Sprache aufmerksam.

Die Bemühungen, verbliebene Reste des Niederdeutschen zu erhalten, sind also vielfältig. Dass allerdings die regionale Alltagssprache der Vergangenheit in heutiger Zeit beinahe verschwunden ist, liegt nicht nur am Hochdeutsch der „modernen“ Medien wie Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet. Das macht ein historischer Zufallsfund aus dem Jahr 1824 deutlich: Schon vor zweihundert Jahren wurde der Gebrauch des Plattdeutschen in der Bildung ausdrücklich verboten! Jedenfalls galt das für die Schüler des Gymnasiums Meppen.

Die am 5. Oktober 1824 von der Königlich Hannoverschen Landdrostei in Osnabrück bestätigten „Schulgesetze“ für das Gymnasium Meppen machen aus dem Beweggrund für das Verbot der niederdeutschen Sprache keinen Hehl: Die Schüler sollten sich außerhalb der Schule auf keinen Fall mit der „Klasse der ungezogenen Jugend“ gemeinmachen. Aus diesem Grund „ist es keinem Schüler erlaubt, plattdeutsch zu sprechen”, heißt es in Paragraph 20 der streng verbindlichen Schulordnung. Hier wird ausdrücklich ein Klassengegensatz der gebildeten Stände damaliger Zeit gegenüber Handwerkern, Arbeitern und der Landbevölkerung formuliert.

Das führte dazu, dass die Bewohner abgelegener emsländischer Dörfer sich in bestimmten Bereichen der städtischen Gesellschaft wie im Ausland fühlten, wo man ihre Sprache gar nicht verstand. Eingesessene im Kirchspiel Twist zum Beispiel konnten sich bis in die Zeit um 1950 mit ihren niederländischen Nachbarn in deren verwandtem Drentschen Platt weit besser verständigen als etwa mit einem höheren Verwaltungsbeamten in der Kreisstadt Meppen. So kam es, dass die Twister im 19. Jahrhundert oft genug auf Rechtsanwälte und Notare mit ihrem Hochdeutsch plus Latein und damit auf juristisch verbindliche Verträge und Grundbucheintragungen verzichteten. Ein Handschlag und eine Geldzahlung genügten vollauf für ihr ländliches Rechtsgeschäft, das allerdings oft genug Jahrzehnte später und teils bis heute Probleme macht(e).  Andererseits galten Anwälte, Ärzte, Apotheker und Geistliche, welche des Plattdeutschen mächtig waren, als besonders „populär“ bei den kleinen Leuten.

Die fast zwei Jahrhunderte alten „Schulgesetze“ des Gymnasiums Meppen erinnern daran, dass das Niederdeutsche in den Mauern der höheren Schule historisch nicht erwünscht war. Inzwischen hat sich die Einstellung geändert: Lesungen und Siegerehrungen zum landesweiten Wettbewerb „Schüler lesen Platt“ finden fast schon traditionell im Meppener Windthorst-Gymnasium statt.

Allerdings dürfte dessen Namenspatron, der Jurist und Politiker Ludwig Windthorst (1812 – 1891), mit Plattdeutsch auch nicht allzu viel am Hut gehabt haben: Windthorst wurde auf Gut Caldenhof bei Ostercappeln geboren und besuchte das Gymnasium Carolinum in Osnabrück.