Platt im Krankenhaus
Aufgewachsen bin ich in dem Dorf namens Versen, und wie es auf den Dörfern üblich war, wurde zu meiner Kinderzeit platt gesprochen. Geändert hat sich das erst in der Grundschule – und nur, weil die Lehrerschaft meine Eltern darauf hinwies, daß es für die Entwicklung der Kinder – damit waren mein Bruder und ich gemeint – besser sei, auch außerhalb der Schule hochdeutsch zu sprechen.
Im Elternhaus wurde also die Sprache „umgestellt”: mit den drei jüngsten Geschwistern wurde konsequent hochdeutsch gesprochen, zwischen meinen Eltern, meinem Bruder und mir ging es zwischen der hoch- und der plattdeutschen Sprache hin und her. Das ist bis zum heutigen Tage so geblieben.
Während der Jugendzeit war es „in”, nicht mehr plattdeutsch zu sprechen. Es fehlten dazu jedoch auch die Gelegenheiten während der weiteren Schulausbildung und des Studiums. Sie beschränkten sich auf das Zuhause sowie den Umgang mit älteren Menschen aus der Verwandtschaft, Bekanntschaft oder der dörflichen Umgebung.
Heute – und da spielt das wieder erwachte Bewußtsein zum eigenen Dialekt in der Bevölkerung eine große Rolle – stehe ich zu meinen Plattdeutschkenntnissen und nutze sie gerne. Insbesondere wenn bestimmte Gefühle oder Beschreibungen treffend mit vielleicht ein, zwei Wörtern formuliert werden sollen, nutze ich gern meine Heimatsprache. Voraussetzung ist dabei natürlich, daß mein Gegenüber die Sprache auch versteht. Aber auch sonst wird die Sprache wieder gern unter „Kennern” ohne Scheu genutzt.
In meinem beruflichen Leben und wohl noch mehr im beruflichen Leben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus, die ständig direkten Kontakt mit den Patientinnen und Patienten haben, hilft die plattdeutsche Sprache häufig über Kommunikationsschwierigkeiten und das Gefühl des Fremdseins hinweg. Hier spreche ich – und das liegt wohl in der Natur der Sache – überwiegend von älteren Patientinnen und Patienten, die ja noch mit „Plätt proten” aufgewachsen sind. Gerade sie sind in der für sie fremden und vielleicht auch oft erschreckend technischen Welt eines Krankenhauses froh und dankbar, wenn sie wenigstens einen Pfleger, eine Pflegerin oder eine Mitarbeiterin in der Aufnahme finden, mit der sie wie zu Hause und ohne die Angst, etwas Falsches zu sagen, sprechen können. Ich freue mich, wenn ich höre, daß wir im hause noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die das Plattdeutsch es gut tut, wenn man sich in dieser Sprache mit ihm unterhält. Letztendlich ist es für ein Krankenhaus wichtig, daß sich der Patient oder die Patientin während des Aufenthaltes wohl fühlt, und ich denke, daß gerade die Sprache – ob nun Französisch, Englisch oder Plattdeutsch -, daß das Verstandenwerden hier ein ganz wichtiger Faktor ist.
Unterm Strich gesehen hat also die plattdeutsche Sprache gerade im hiesigen Gebiet noch eine sehr große Bedeutung, und es wäre wünschenswert, wenn sich auch die Jugend sowie die Kinder mehr mit dieser Sprache auseinandersetzen würden. An einigen Schulen wird dazu ja schon wieder ein Anfang gemacht, was sicherlich Unterstützung verdient.