Heiner Schwering

Der alte Torfstecher Jan Bossrum

Et fallt mi heller schwor, jau in hochdütsk tau schrieven. Hochdütsk was för mi de erste Frömdspraoke. Dennoch will ik jau, so wie säi wünscht, in Hochdütsk schrieven.

Die plattdeutsche Sprache muß ich wohl mit der Mut­termilch eingesogen haben. Mein Elternhaus war für mich die erste Schule, wo ich das Plattdeutsche mitbe­kommen habe. Meine Eltern unter sich und mit uns Kindern, aber auch wir Kinder untereinander, sprachen nur plattdeutsch. Nur die Gebete, Morgen- und Abendgebet und die Tischgebete, wurden in Hochdeutsch gesprochen. Auch rings um uns in der Nachbarschaft kannten wir kein Hochdeutsch. Dies hat sich geändert, als während des zweiten Weltkrieges die ersten Flüchtlingskinder in unser Dorf kamen.

In der Schule hatte ich es anfangs schwer, mich an das Hochdeutsche zu gewöh­nen. Immer wieder kam das Plattdeutsche durch. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir mit unserem Lehrer – er kam mit Berliner Jungs im Rahmen der Landverschickung in unser Dorf und wohnte bei uns in der Nachbarschaft – ge­meinsam zur Schule gingen und plötzlich ein Eichhörnchen den Weg überquerte. Ich rief laut: „Da, ein Kartäiker!” Der Lehrer fragte nach: „Was ist das?” Ich sagte: „Ein Kartäiker”, und meinte, ihm damit auf Hochdeutsch geantwortet zu haben. Er verbesserte mich und sagte, es sei ein Eichhörnchen. Seitdem weiß ich, daß ein Kartäiker ein Eichhörnchen ist.

Ähnlich erging es mir in der Schule, als wir aufzählen sollten, welche Spiele wir Kinder in der Freizeit so machen. Aufgezählt wurden unter anderem Ball- und Murmelspiele, Versteckspielen, Hinkepinke, Reigenspiele. Ich sagte: „Räuber und Schönndäm.” Da sagte die Lehrerin zu mir: „Das heißt Räuber und Gendarm.”

Dies sind zwei Beispiele, wo ich mich meiner plattdeutschen Sprache sicher ge­schämt habe. Ansonsten habe ich immer sehr gute Erfahrungen mit Plattdeutsch gemacht. Ohne diese Sprache kann ich mir mein Zuhause, mein Dorf, meine Hei­mat, use Emsland, die Familienfeiern und Volksfeste nicht vorstellen. Es bereitet mir immer wieder große Freude, wenn ich auf Festlichkeiten, bei Geburtstagen, Hochzeiten oder Jubiläen, in Plattdeutsch Vorträge halte und damit die Gäste er­freuen kann. Meistens trete ich als alter Torfstecher „Jan Bossrum” auf. Platt­deutsch, wo immer es auch in meiner Nähe gesprochen wird, ob daheim oder in der Fremde, ist ein Stück Heimat für mich.

Neben dem christlichen Glauben, den ich im Elternhaus und im Religionsunter­richt mitbekommen habe, ist das Plattdeutsche eines der wichtigsten Kulturgüter für mich.

Auch in fast vier Jahrzehnten Kommunalpolitik in Gemeinde und Landkreis kommt mir die plattdeutsche Sprache bestens aus. Dies nicht so sehr in großen Re­den – auf Hochdeutsch gehalten -, sondern vielmehr in persönlichen, meistens in Platt geführten Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen in Rat und Kreistag sowie mit der Verwaltung. Man kann in Plattdütsk de Dinge vull dröcker up`n Punkt brängen un somit för de Mitmensken masse drock und unkompliziert be-wägen.

Ich bin sehr froh darüber, wenn ich durch unser schönes Emsland und durch die Grafschaft fahre und überall schmucke Heimathäuser sehe. Es sind Stätten der Be­gegnungen unserer Bürgerinnen und Bürger, wo das Plattdeutsche in Vorträgen, Liedern, Lesungen oder Theaterspielen gepflegt wird.

Neben der noch intakten Natur, die wir in unserer emsländischen Landschaft ha­ben, ist sicherlich unsere plattdeutsche Sprache auch ein Werbeträger für den Tou­rismus. Wir sollten sie auf jeden Fall hegen und pflegen. Leider kommt meines Er­achtens die plattdeutsche Sprache in unseren Kindergärten und Schulen zu kurz, trotz plattdeutscher Lieder- und Lesebücher. Auch in unseren Familien wird das Platt immer mehr verdrängt. Elternhäuser, Kindergärten, Schulen – auch die Volks­hochschulen – sind aufgerufen, die plattdeutsche Sprache nicht verkommen zu las­sen. Ich begrüße es daher, daß es Bürgerinnen und Bürger gibt, die plattdeutsche Bücher, Geschichten und Dönkes oder gar plattdeutsche Wörterbücher schreiben.