Wat, de kann Platt? – Ein Weihnachtsgeschenk für Plattdeutsch-Freunde

 

Wat, de kann Platt? – Erfahrungen mit der verdrängten Muttersprache

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In den letzten Jahrzehnten ist das Plattdeutsche im gesamten deutschen Nordwesten weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden – selbst auf dem Land. Bei den Jahrgängen der unter 60jährigen finden sich vielfach kaum noch aktive Sprecher und zwar je weniger, je jünger die Menschen sind.

Was sind die Ursachen dafür?

Und warum gibt es nichtsdestotrotz weiterhin viele Menschen, die das Plattdeutsche sprechen oder zumindest verstehen können. Und welche Erfahrungen haben sie mit ihrer angestammten niederdeutschen Sprache im Laufe ihres Lebens gemacht.

Diesen Fragen gehen der Historiker und Sprachwissenschaftler Dr. Christof Spannhoff vom Institut für vergleichende Städtegeschichte in Münster, der Historiker Dr. Helmut Lensing aus Greven und der ehemalige emsländische Schulleiter Bernd Robben in einem Buch nach.

Sie gewannen dafür gut 90 Autorinnen und Autoren aus allen Bevölkerungsschichten aus dem gesamten Münsterland und dem Osnabrücker Land, dazu aus dem Emsland und der Grafschaft Bentheim. Sie schrieben ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Plattdeutschen nieder oder verfassten plattdeutsche Gedichte und Erzählungen, die zur Auflockerung zwischen den persönlichen Geschichten stehen.
Da nicht jeder, der Plattdeutsch spricht oder versteht, auch Niederdeutsch schreiben kann, sind viele Beiträge auf Hochdeutsch verfasst, andere auf Plattdeutsch oder in beiden Sprachen. So vielfältig wie die einzelnen Varianten des Niederdeutschen sind eben auch die jeweiligen Zugänge dazu. Dies wird schnell deutlich, wenn man sich allein die vielen Beiträge aus Rheine und Umgebung, offensichtlich noch eine Hochburg des Plattdeutschen, durchliest.

Eine Vielzahl überregional bekannter Persönlichkeiten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens kommt im Buch zu Wort. Dies reicht von der damaligen Bundesministerin Anja Karliczek aus Brochterbeck und dem Menschenrechtsaktivisten Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich über den Landwirtschaftsautor Gisbert Strotdrees aus Münster und Unternehmern wie die Landmaschinenhersteller Bernard Krone (Spelle) und Klaus Dreyer (Amazone, Hasbergen), den Niederdeutsch-Professoren Dr. Ludger Kremer (Westmünsterland) und Hermann Niebaum (Osnabrück) und dem Plattdeutsch-Aktivsten Dr. Klaus-Werner Kahl bis hin zu aktiven oder ehemaligen Politikern.

Plattdeutsch in Münster

Die wohl älteste Niederdeutsch-Vereinigung der Region ist gleich zweifach vertreten. Richard Schmieding aus Münster führt in die wechselvolle Geschichte der Abendgesellschaft Zoologischer Garten zu Münster (AZG) ein, deren selbst geschriebenen niederdeutschen Stücke – unter anderem von ihm – über Jahrzehnte von Theatergruppen im weiten Umfeld nachgespielt worden sind. Und der aktuelle Vorsitzende Gerhard Schneider schildert, wie er als Schlachter aus Sachsen plattdeutscher Theaterspieler und Professor-Landois-Darsteller geworden ist. Auch „Exoten“ finden sich hier wie der US-Amerikaner Alan Harms aus Münster, der anschaulich darlegt, welches Verhältnis ein Sohn des tiefsten Mittleren Westens der USA zum Plattdeutschen pflegt. Im Buch kommen auch Auswärtige zu Wort, hauptsächlich Emsländer und Grafschafter, die in die Region gezogen sind, beispielsweise der Münsteraner Plattdeutsch-Autor Hans Hopmann, ein gebürtiger Emsländer.

Nischen des Plattdeutschen

Wie den einzelnen Artikeln zu entnehmen ist, gibt es etliche Nischen, in denen das Plattdeutsche noch tief verwurzelt ist. Eine der wichtigsten Rückzugsorte ist das plattdeutsche Theater, weshalb aus diesem Bereich eine Reihe von Beiträgen mit vielen Bildern zu finden ist. Andere Überlebensorte sind Museen oder Stadtführungen, die Arbeit mit Senioren und Demenzpatienten oder die plattdeutsche Musik. So stammen Beiträge etwa von Altenpflegerinnen, einem Polizist, einem vielgereiste Lufthansa-Pilot, Plattdeutsch-Lehrerinnen, Juristen, einem Schüler, Angestellte, Fremdenführer, von Bäuerinnen und Bauern, Musikern, einem Buchhändler oder einen Hausarzt. Auch Unerwartetes findet sich hier. Wer hätte etwa gedacht, dass die Plattdeutsch-Führungen im Rock- und Pop-Museum Gronau ein Renner sind?
Die Beiträge von zwei bis zwölf Seiten sind mal amüsant, mal lehrreich oder interessant, manchmal nachdenklich und häufig heiter. Illustriert sind sie mit zahlreichen Bildern, etwa von Theateraufführungen und anderen Zeugnissen des plattdeutschen Lebens. Auflockerung bieten eingestreute niederdeutsche Gedichte. Durch QR-Codes ist es überdies möglich, etliche Autoren und Autorinnen selbst sprechen zu hören oder zu plattdeutschen Musikstücken zu gelangen.

Das Fazit eines Rezensenten

In den „Osnabrücker Mitteilungen“ 127/2022 (S. 328-329) zieht der Rezensent des Werkes folgendes Fazit:

„Das als Hardcover vorliegende Buch ist sehr ansprechend aufgemacht. Die Autorinnen und Autoren werden mit Bild vorgestellt, viele Beiträge sind reich bebildert. Nicht nur zu den Liedern gibt es QR-Codes, auch viele andere Beiträge sind mit Codes versehen, über die die Sprache der Verfassenden hörbar gemacht werden kann. Weiterhin werden oftmals weitere Informationen in Text und Bild verfügbar gemacht. Dadurch ist dieses Buch eine vielseitige, unterhaltsame Quelle für viele Menschen, die mit völlig unterschiedlichen Interessen am Plattdeutschen dieses Buch zur Hand nehmen. Gerade für eine Kleinsprache wie Niederdeutsch ist das Verlassen der Grenzen des Buches ein wirklich gelungener Ansatz, für den man Herausgebern und Verlag nur danken kann“.

Info:
Wat, de kann Platt? Selbstzeugnisse, Geschichten und Gedichte aus dem Münsterland und dem Osnabrücker Land. Hrsg. von Helmut Lensing, Bernd Robben u. Christof Spannhoff, Meppen, Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte, 2021, 384 S., 24,90 Euro, ISBN 978-3-9821831-4-5. Bestellungen auch unter: kontakt@emslandgeschichte.de (Versand innerhalb Deutschlands: Ein Buch zu 4,- Euro).