Die “Städtker” und die Landbewohner: Die Plattdeutschen vertrauten sich eher!

  • Das Verhältnis von Stadt zu Land ist, im Ganzen ge­sehen, das einer selbständigen Wechselbeziehung, die sehr viele persönliche Bekanntschaften (außerhalb verwandtschaftlicher Beziehungen) einschließt, aber nur sehr selten zu einer Freundschaft wird.
  • Jeder fühlt sich dem anderen in seiner Art überlegen. Die Landleute ahmen die Städter nach, in der Kleidung, im Hausbau, in der Ausstattung des Hauses, im Streben nach städtischer Lebensart schlechthin, auch bei den Vergnügungen.
  • Aber sie stehen ihm zugleich mit einer gewissen Kritik gegenüber. „Städtker” ist im allgemeinen kein lobendes Wort, es bedeutet vor allem, daß der Städter vom Landleben nicht viel ver­steht und daß man ihm gegenüber vorsichtig sein muß, vorsichtiger als gegenüber einem Bauern, mit dem man plattdeutsch sprechen und dem man eher vertrauen kann.
  • Umgekehrt hält sich der Städter für kultivierter, aber er hat in den beiden letzten Kriegen gelernt, daß er auf den Bauern und seine Leistungen angewiesen ist. Von den beiden einzigen Städten des Kreises Lingen ist Freren sehr weitgehend ländlich, und auch die Kreisstadt Lingen hat viele direkte Beziehungen zum Lande, und seine Bewohner selbst haben in vielen Fällen Kleinlandbesitz, so daß ein eigentlicher Gegensatz zwischen Stadt und Land nicht aufkommt, sondern ein selbstverständliches freund­liches Miteinander die Regel ist.
  • Besonders der ein­heimische Arbeiter ist oft durch ein eigenes Anwesen mit der Scholle verwurzelt, und Klassengegensätze, wie in stärker industrialisierten Gegenden, treten hier wenig in Erscheinung.

Historisches Rathaus der Stadt Lingen (Ems) auf dem Marktplatz.

 

Heinz Pohlendt, Bevölkerung, Seite 89 in: Der Landkreis Lingen, Bremen 1954

Foto: Stadt Lingen in Wikipedia