Werner Depenthal schreibt auf Platt und Hochdeutsch

Diese Gegenüberstellung zeigt in gelungener Form die Eigenständigkeit der plattdeutschen Sprache!

Das Hindernis

Heinrich Buurmann besaß einen großen Hof.

Er schimpfte und stänkerte ständig, und die Frauen hatten ihre liebe Not mit dem alten Nörgler. Oben­drein war er dem Alkohol zugetan, und wenn er betrunken war, schrie er auf dem Hof herum, daß man es bei der Kirche hören konnte.

Dat Hinnerniß

Buurmanns Hinnerk hadde ‘n grauten Hoff.

He was stännig an’n scheilen un futern, un de Fruslüe hadden iähre leiwe Naut met den aulen Gnüöterbuck. Supen dä he auk, un wenn he duun was, krakeelde he up’n Hoff herümme, dat me’t bi de Kiäken höeren konn.

Eines Tages fiel er um und war tot. Alle Nachbarn kamen, die Leiche wurde gewaschen und im Sarg auf der Diele aufgebahrt.Sie stehen um den Sarg herum und beten; alle den­ken im stillen: „Gott sei Dank, daß das alte As tot ist. Dann fahren sie ihn mit dem Leichenwagen zum Friedhof.

Eines Dages fällt he ümme un was daute. De Naubers kaimen, dat Liik wöt wuosken un in’t Sark uppe Diäl upbahrt. Se stoht ümme’t Sark to un biät olle denket se stillken bi sik: „Gott dank, dat dat aule Aus d’r bi denn is!Denn fährt se em met’n Liikewagen no Kösters Kampe.

Von der Straße bis zum Friedhof müssen die Nachbarn den Sarg tragen. Heinrich ist ein schwerer Mann, und es ist ein eichener Sarg. Die Träger haben ihre liebe Not. Da steht doch ein Pfahl im Wege; die letzten Träger können das nicht sehen und stoßen mit dem Sarg an den Pfahl — bums! Es dauert nicht lange, da klopft es aus dem Sarg: Tapp-tapp-tapp! Allen stehen die Haare zu Berge, und sie klappen den Sargdeckel auf. Der alte Nörgler ist ja gar nicht tot. Er klettert heraus, sie kehren um, den Sarg wieder auf den Wagen, zurück auf die Diele. Heinrich ist auferstanden von den Toten, das muß gefeiert werden.

Vanne Strauten bet no’n Kiäkhuowe müet de Naubers dat Sark driägen. Hinnerk is ‘n swoaren Kärl, tin et is ‘n eiken Sark. De Driägers häwwet iähre leiwe Naut. Do steiht doch ‘n Paul in’n Wiäge; de leßten Driägers küent dat nich seihn un steut’t met’t Sark an’n Paul — bums! Et duurt nich lange, do wet ut’t Sark kloppet: tapp-tapp-tapp! Alle stohet de Hoare to Biärge, un se klappet den Sarkdeckel up. De aule Gnüöterbuck is jä gar nich daute. He klaiet herut, se draiet ümme, Sark wier up’n Wagen, trügge uppe Diäl. Hinnerk is upstauhn van de Doen, dat mit fürt wäden.

Und wieder trifft ihn der Schlag, plötzlich fällt er hin. Und wieder ist der Pfahl im Wege bei der Beerdigung. Aber diesmal geht Heinrichs Frau neben den Trägern her und paßt auf. Sie sagt jedem Träger ins Ohr: „Sachte! Sachte! Nun gebt mir doch bloß auf den Pfahl acht! Damit mir der Kerl diesmal auch wirklich in die Erde kommt.”

He türget siine Fru laiger no os vohiär, gnüötert unprotßet, süp un krakeelt. Un wier dräp em de Slag, ratß fällt he daal. Un wier is de Paul in’n Wiäge bi’n Likegang. Ower dütmol geiht Hinners Fru met de Driägers un passet up. Se segg jeden Driäger in’t Oahr: „Sachte, sachte! Nu paßt mi doch blauts up den Paul up! Dat mi de Kärl dütmol auk würklik unner de Ääden kümp!”

aus:

 

Seite 41/42