Jan Lübben

Pluspunkt bei Neueinstellungen

Mein Geburtsort liegt in der Grafschaft Bentheim, un­mittelbar am Rande der Stadt Nordhorn. Heute ist diese Gemeinde, es handelt sich um Bookholt, durch die vor rund 20 Jahren durchgeführte Gebiets- und Gemeinde­reform der Stadt Nordhorn angegliedert worden.

Das Geburtshaus war ein Bauernhaus. Meine Eltern bewirtschafteten in Bookholt einen circa 40 Hektar großen Pachthof. Im Jahr meiner Geburt, es war im Jah­re 1937, lebten auf dem Hof neben meinen Eltern der Großvater und sieben Geschwister meines Vaters. Zu der Zeit wurde in Bookholt wohl nur plattdeutsch gesprochen, natürlich auch mit mir.

Im Herbst 1943 wurde ich eingeschult. Deutsch muß damals für mich die erste Fremdsprache gewesen sein. Die ersten Schultage habe ich vorzeitig abgebrochen. Lag es an der „Fremdsprache”, oder hatte ich Angst in der neuen Umgebung? Ich kann es nicht sagen.

Die Kinder sprachen meines Wissens zu der Zeit in Bookholt fast alle plattdeutsch. Die Bevölkerung der Gemeinde bestand überwiegend aus Bauern- und Fabrik-arbeiterfamilien. Die deutsche Sprache habe ich dann doch erlernt. Im Frühjahr 1948 wechselte ich zur Mittelschule nach Nordhorn, die ich sechs Jahre besuch­te. In der Zeit wurde in der Schule kaum ein Wort plattdeutsch gesprochen; es sei denn, man traf dort noch einen Mitschüler vom Lande.

Meine Nordhorner Schulkameradinnen fanden die plattdeutsche Sprache unschön und werteten sie als die „Sprache der Bauern” ab. Meines Wissens war das eine allgemeine Grundhaltung gegenüber dem plattdeutschen Dialekt.

Nach meiner Schulzeit in Nordhorn fing ich bei der Sparkasse des Kreises Graf­schaft Bentheim als Lehrling an. Meine Ausbildungsstelle war in Nordhorn bei der Hauptstelle. Ich habe in der Lehrzeit auch schon in der Kundenbedienung gear­beitet. Am Schalter kam ich dann mit plattdeutsch sprechender Kundschaft in Berührung. Ältere Menschen und Kunden vom Lande reagieren in der Regel posi­tiv, wenn man sie in ihrer täglichen Umgangssprache anspricht. Als junger Ange­stellter mußte ich unseren Werbeleiter, der kein Grafschafter war, begleiten, wenn es galt, die Bauern aus den Landgemeinden zu besuchen. Später wurde ich, nicht zuletzt wegen meiner Plattdeutschkenntnisse, zur Zweigstelle in Wietmarschen für Vertretungen abgestellt. Seit Oktober 1964 war ich dann Leiter einer Geschäftsstelle am Stadtrand von Nordhorn. Das Geschäftsgebiet umfaßte die Stadt­teile Bookholt und Frenswegen, die Gemeinden Bookholt, Bimolten und Teile der Gemeinde Hohenkörben. Die Geschäftsstelle habe ich bis zum Eintritt in den Ru­hestand geleitet.

Mein beruflicher Werdegang bei der Sparkasse wäre ohne Plattdeutschkenntnisse nicht unbedingt anders verlaufen. Ich kann aber sagen, daß mir die plattdeutsche Sprache im Umgang mit Kunden förderlich gewesen ist. Die Sparkasse in der Graf­schaft Bentheim legt heute bei ihren Neueinstellungen noch Wert auf Bewerber mit plattdeutschen Sprachkenntnissen.

Wenn ich aus meiner Schulzeit über Platt als Bauernsprache berichtet habe, so muß ich heute sagen, daß diejenigen, die damals ihre plattdeutschen Kenntnisse verleugneten, jetzt gerne mal wieder ein paar Worte platt mit mir und auch an­derswo sprechen. Ich persönlich liebe diese Sprache, vertrete sie und wende sie an. Meine Kinder verstehen plattdeutsch, aber sprechen es wenig.

In Irland habe ich einmal ein deutsches Ehepaar aus Schleswig-Holstein in Platt an­gesprochen. Sie waren der Sprache ebenfalls mächtig, und wir haben uns gut un­terhalten. Diese Erfahrungen habe ich verschiedentlich in ganz Norddeutschland und Westfalen schon gemacht. Selbst in der niederländischen Grenzregion kann ich mich mit der plattdeutschen Sprache gut verständigen.

Seit sechs Jahren bin ich Mitglied im Groafschupper Plattproaterkring e.V. Der Ver­ein will die plattdeutsche Sprache, das alte Handwerk und altes Brauchtum erhal­ten und fördern. Wir haben Kontakt zu anderen Vereinen, die sich die gleichen Zie­le gesetzt haben. Meiner Meinung nach sollten diese vielfältigen Bemühungen ih­re Wirkungen nicht verfehlen.

Die plattdeutsche Sprache wird sicher noch lange gesprochen werden. Es werden sich allerdings mehr und mehr deutsche Wörter einmischen. Nicht für jedes deut­sche Wort findet man ein plattdeutsches. Das wird sich nicht verhindern lassen, wie auch die deutsche Sprache sich nicht in ihrer Reinheit erhält.

Wer aber plattdeutsch spricht, spricht eine Sprache mehr.