Meine Mutter (11)

Über meine Mutter habe ich kein Gedicht geschrieben. Sie war – wie selbstverständlich – immer für uns da. Sie war, wie tausend andere Mütter auch:

Dienerin und Königin zugleich.

Sie konnte gut singen und hat uns manches Lied gelehrt. Eines dieser Lieder ist:

Wenn Du noch eine Mutter hast …

Diesem Text ist – in Bezug auf meine Mutter – nichts mehr hinzuzufügen.

 

Wenn Du noch eine Mutter hast

 

  1. Wenn Du noch eine Mutter hast,

so danke Gott und sei zufrieden.

Nicht allen auf dem Erdenrund

ist dieses hohe Glück beschieden.

 

  1. Sie hat vom ersten Tage an

für Dich gelebt in bangen Sorgen,

sie brachte abends Dich zur Ruh’

und weckte küssend Dich am Morgen.

 

  1. Und warst Du krank, sie pflegte Dein,

den sie mit tiefem Schmerz geboren.

Und gaben alle Dich schon auf,

die Mutter gab Dich nicht verloren.

 

  1. Sie lehrte Dich den frommen Spruch,

sie lehrte Dich zuerst das Reden.

Sie faltete die Hände Dein

und lehrte Dich zum Vater beten.

 

  1. Sie lenkte Deinen Kindessinn,

sie wachte über Deine Jugend.

Der Mutter danke es allein,

wenn Du noch gehst den Pfad der Tugend.

 

  1. Und hast Du keine Mutter mehr,

und kannst Du sie nicht mehr beglücken,

so kannst Du doch ihr frühes Grab

mit frischen Blumenkränzen schmücken.

 

  1. Ein Muttergrab, ein heilig’ Grab,

für Dich bleibt es die Lebensquelle.

Oh, wende Dich an diesen Ort,

wenn Dich umtost des Lebens Welle!