Aus der folgenden Tabelle 6 (rechte Spalte) geht hervor, daß nur noch 1% der Kinder heute ständig (0,3%) bzw. überwiegend (0,7%) im familiären Rahmen plattdeutsch spricht. Die 6,8%, die überwiegend Hochdeutsch sprechen, lassen sich im Zusammenhang mit den übrigen ermittelten Daten nur so deuten, daß diese Kinder zwar gelegentlich plattdeutsche Wörter und Wendungen gebrauchen, daß dies aber nicht als flüssiges Beherrschen der Mundart interpretiert werden kann (vgl. Tab. 3: Aktive Sprachkompetenz).
Da für die Generation 1 (Großeltern) keine Angaben über die aktive und passive Kompetenz aus dem Befragungsbogen abgelesen werden können, sind die drei Generationen hier für den Gebrauch des Plattdeutschen einander gegenübergestellt worden.
Über einen Vergleich der Prozentzahlen mit der Kompetenz der Generationen 2 (Eltern) und 3 (Kinder) wird das einen gewissen Rückschluß auf die Mundartkompetenz der Generation 1 zulassen: Bei einem ausschließlichen Mundartgebrauch von 54,2% bzw. 51,7% der Großeltern untereinander darf wohl davon ausgegangen werden, daß in dieser Generation im gesamten Emsland eine aktive Kompetenz von über 70% vorhanden ist. Nach Janßen (1943: 58ff.) sprachen 1938/39 die Eltern zu 75-100% Plattdeutsch mit ihren Kindern, der heutigen Großeltern-Generation also, mit Ausnahme der Städte Lingen und Meppen (unter 50%) sowie weniger Gemeinden im Süden des Emslandes (50-74%). Es ist weiter zu bedenken, daß auch viele Flüchtlinge in der Nachkriegszeit berufsbedingt die Mundart erlernt haben, außerdem beherrschten die meisten Kaufleute und Handwerker in den Städten die plattdeutsche Sprache, die ihnen den Umgang mit den Landbewohnern und deren Kaufkraft erheblich erleichterte. In einigen Orten des Einslandes beherrschte sozusagen jeder Bewohner das Niederdeutsche.
Angesichts der Zahlenreihen in der Tab. 6 soll gerade an dieser Stelle noch einmal an Stellmachers Auswertung der GETAS-Befragung erinnert werden: „Niederdeutsch ist nicht tot, die Sprache lebt und — wie die Vergleiche mit älteren Untersuchungen erbracht haben — sie hat in den letzten 20 Jahren keineswegs an Boden verloren” (Stellmacher 1987: 44). Ganz offensichtlich ist aber das Gegenteil der Fall, sowohl im Bereich der Kompetenz als auch im Sprachgebrauch, wie die vorliegenden Zahlen belegen.