Zustandsbeschreibung der plattdeutschen Sprache  März 2020

Kurzzusammenfassung vorweg:

Hierbei handelt es sich nicht (nur) um wissenschaftlich abgesicherte Werte, die nachfolgenden Aussagen basieren auf langjährigen Erfahrungen in Schulen, Lehrerfortbildungen, plattdeutsche Arbeitskreise, themenspezifische Buchveröffentlichungen und mehr.

Auch das persönliche Erleben eines drastisch sich verändernden bzw. schon veränderten Sprach- und Sprechverhalten der Landbevölkerung (im angestammten “eigenen” dörflichen Umfeld und in der emsländischen Region) soll dokumentiert werden.

Einen besonderen Einblick erlauben sicherlich auch die mittlerweile 130 Vorträge zum Heuerlingswesen in ganz Nordwestdeutschland. Durchweg wurde dabei auch die enge Beziehung zwischen dieser Sozialisationsform und der sprachlichen Eingebundenheit deutlich und besprochen. Die sprachlichen Gepflogenheiten und Verhältnisse in den besuchten Heimatvereinen (116)  konnten dabei „erlebt“ und auch erläutert werden.

Durchweg wurde dabei deutlich, dass Heuerlingskinder nahezu ausschließlich in diesem restringierten Code aufgewachsen sind. Auch dadurch war ihnen der Zugang zu den höheren Schulen (bis auf wenige Ausnahmen) verwehrt.

Dazu haben die Recherchen rund um das Buch Heuerhäuser im Wandel in über hundert renovierten Kotten auch über das Heuerlings – Verbreitungsgebiet hinaus wichtige Informationen zum heutigen Gebrauch des Plattdeutschen ergeben.

Welche Schwierigkeiten etliche ausschließlich plattdeutsch aufgewachsene Kinder beim Besuch eines Gymnasiums damals zu bewältigen hatten, davon berichtet Dr. jur. Bernd Schulte:

Erfahrungen mit Platt (1) von Dr. jur. B. Schulte

In Gesprächen mit älteren Lehrkräften aus jener Zeit wurde  bestätigt, dass nach dem Auslaufen des Heuerlingswesens (Ende der  sog. Wirtschaftswunderjahre) die Anstrengungen vieler Lehrkräfte gegen die Verwendung der niederdeutschen Sprache in den Elternhäusern sich durchsetzen konnten.

Diese Zeilen sollen der nachträgliche Vorspann und eine Ergänzung sein zu:

Wu is datt mit use Platt – Entwicklungen im letzten Jahrzehnt mit Blick nach vorn (Stand Anfang 2020)

Das Gesamtthema wird komplettiert um Betrachtungen und Erfahrungen zu den plattdeutschen Verhältnissen in

 

 Watt, de kann Platt? Ein neues regionales Buch entwickelt sich

Ein neues Buchprojekt entsteht in den Bereichen des Heimatbundes Osnabrücker Land, des Kreisheimatbundes Bersenbrück, des Kreises Steinfurt und weiteren Kreisheimatverbänden im Westmünsterland

Diese geplante Veröffentlichung folgt in etwa dem Prinzip des Buches "Wat, de kann Platt" aus dem Jahre 1989, das damals in der Region Emsland/Grafschaft Bentheim erschienen ist. 
Wir weichen allerdings in der Schreibung des "Watt - Wat" von der Vorgabe "Der kleine Sass Plattdeutsches Wörterbuch" bewusst ab.

 Da verschwindet innerhalb von etwa zwei Generationen weitgehend eine angestammte Sprache, die bis vor wenigen Jahrzehnten noch von der Mehrheit der ländlichen Bevölkerung in immerhin acht deutschen Bundesländern im alltäglichen Miteinander gesprochen wurde.

Und so stellt sich nicht nur in Fachkreisen die bange Frage:

                                                        Wu is datt mit use Platt?

… denn: Die Sprache ist ohne Zweifel das höchste Kulturgut des Menschen!

 Vor diesem Hintergrund haben sich Personen zusammengefunden, die in einem Buchprojekt die durchaus etwas neugierige Frage stellen:

                                                         Watt, de kann Platt?

 

  • Franz Buitmann (Fürstenau, Vorsitzender des Kreisheimatbundes Bersenbrück)
  • Klaus Dreyer (Osnabrück-Gaste, Fabrikant und Autor)
  • E. Niewedde (Osterkappeln-Venne, Vorsitzender des Heimatbundes Osnabrücker Land)
  • Otto Pötter (Rheine, plattdeutscher Autor)
  • Martin Skibicki (Lengerich/Emsland, Layouter und Fotograf)
  • Christof Spannhoff (Lienen, Historiker und Sprachwissenschaftler, Vorstandsmitglied des Kreisheimatbundes Steinfurt).
  • Bernd Robben (Emsbüren, Rektor a.D., Autor)
  • Helmut Lensing (Greven, Historiker und Autor, Vorstandsmitglied der Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte und dort für den Verlag des Vereins zuständig)

 

  • Was ist für die nächsten Monate geplant?

Lange Jahre war das Plattdeutsche mit dem Makel des Minderwertigen behaftet: Diese Sprache stand in dem Ruf, die Mundart der ungebildeten Landbevölkerung zu sein.

Daher ist an ein regionales Buch gedacht, in dem das überzeugende Vorbild von heutigen Plattdeutschsprecherinnen und -sprechern seine Wirksamkeit zeigen kann mit dem Überraschungseffekt: Watt, de kann Platt? (nach Sass miüsste das Wat geschrieben sein…)

Unter diesem Titel ist ein Buchprojekt geplant, in dem interessante Personen und Persönlichkeiten der Region aus allen Schichten der Bevölkerung in einem kurzen Beitrag von rund zwei „Schreibmaschinenseiten“ – in Ausnahmefällen nach Rücksprache mit der Redaktion auch mehr oder weniger – ihre individuellen positiven (wie negativen) Erfahrungen und Erlebnisse mit der plattdeutschen Sprache – auf Nieder- oder/und Hochdeutsch – darstellen können.

Die  Autorinnen und Autoren können ihren Beitrag

  • nur in hochdeutscher Sprache verfassen
  • ausschließlich in Plattdeutsch formulieren
  • oder beide Sprachen benutzen.

Als in den Wirtschaftswunderjahren aus der Lehrerschaft und der Schulpolitik die „Erkenntnis“ kam, dass Plattdeutsch die Bildung hemme, begann der Niedergang dieses über Jahrhunderte angestammte Kulturguts.

Vom allgemeinen Wunsch beseelt, unsere Kinder sollen es einmal besser haben, war Plattdeutsch nun nicht mehr Muttersprache – als Erstsprache von Mama erlernt. Das war der eigentliche Todesstoß der niederdeutschen Sprache, die mehr ist als ein Dialekt!

Sicherlich nahm auch das aufkommende hochdeutsche Fernsehen hier Einfluss.

So hat 2011 eine Umfrage im Emsland ergeben, dass  allenfalls drei Prozent der Kinder unter 10 Jahren noch „wirklich“ platt sprechen können – mit weiter abnehmender Tendenz.

Um den Fortbestand der plattdeutschen Sprache im Alltagsleben bei uns in Norddeutschland steht es also nicht gut – wenngleich es regionale Unterschiede gibt.

Deshalb sollten auf verschiedensten Ebenen Bemühungen initiiert werden, dieses wichtige Kulturgut so gut wie möglich dennoch – zumindest partiell – in die nächste Generation zu bringen.

 

  • Was können die Autorinnen/Autoren dazu einbringen?

Gedacht ist an ein persönliches „Statement“ zu Erfahrungen und Erlebnissen mit dem Plattdeutschen im eigenen Leben. Als Unterstützung dazu steht eine begleitende Webadresse unter

http://www.watt-up-platt.de/zeitzeugen-berichten/

zur Verfügung. Dort sind einige Beispielbeiträge von Autorinnen und Autoren aus einer früheren derartigen Veröffentlichung in der Region Emsland/Grafschaft Bentheim als Anschauungsmaterial eingestellt, das sehr unterschiedlich und interessant wie ein „bunter Blumenstrauß“ ausgefallen ist.

So kann gemeinsam ohne Zweifel ein besonderes Zeitzeugnis der heimischen Kultur geschaffen werden.

 

  • Welcher zeitliche Ablauf ist geplant?

Die einzelnen Beiträge sollten spätestens bis zum 15 August – früher ist natürlich immer herzlich willkommen – in einer Worddatei bei uns zur Endredaktion eingegangen sein.

Das fertige Buch soll im Herbst 2021 auf den Markt kommen.

 

Weitere individudelle Informationen können Sie erhalten unter brobben@t-online.de

Wie sieht es mit dem Plattdeutschen in der Landwirtschaft aus?

Der Jurist Wichard Wabner ist seit 2006 Geschäftsführer des Landwirtschaftlichen Kreisvereins Lingen.

Sein Vater war Tierarzt und sein Onkel Heinrich (Pöttker) Leveling Viehhändler.

So ist der heranwachsende Wichard schon in Kindheit und Jugend häufiger Besucher auf emsländischen Bauernhöfen und bei Landwirten in der Grafschaft Bentheim – immer und ausschließlich up Platt.

Seit 16 Jahren kommt er nun als Chef des Landvolks auf diese Höfe und berät sie in fast allen Lebenslagen.

Man kennt sich und da ist gegenseitiges Vertrauen gewachsen.

Und so sind seine Aussagen zur Entwicklung (und damit zum Schwund) der plattdeutschen Sprache realistisch und haben offensichtlich deutlich mehr Bestand als etliche euphorische Schwärmereien mancher “Plattdeutschkenner/innen” in Politik, Kultur und sogar Wissenschaft.

Bestandsaufnahme “Anfang 2020” dauert an

Wu is datt mit use Platt – Entwicklungen im letzten Jahrzehnt mit Blick nach vorn (Stand Anfang 2020)

Der selbst vorgegebene Zeitrahmen (Ende Februar 2020) lässt sich u.a. durch unvorhergesehene Eingebundenheiten leider nicht einhalten.

Es wird aber zügig daran gearbeitet.

Das o. g. Interview mit Wichard Wabner ist aufgenommen und wird in den nächsten Tagen autorisiert sein. Dabei berichtet der besondere Fachmann über seine ständigen beruflichen Begegnungen auf landwirtschaftlichen Betrieben vor Ort – Wichard hat dort fast durchweg durch seine freundlich -kompetente Art “Familienanschluss”, auch durch Platt…

https://www.landvolk-emsland.de/verein/geschaeftsstellen/lingen.html

Daran anschließend geht es an`s (in`s) plattdeutsche Theater mit der Frage: Klamauk oder Kultur?