M. Heuking – Seeger: Senioren schaffen Zeitzeugnisse

 

 

 

Wenn Sie über die Begegnungen mit den Senioren erzählen, dann gewinnt man den Eindruck, dass diese Menschen aus dem Plattdeutschen heraus gelebt und erzählt haben…

Ja, das kann man so sagen. Wenn man jeweils hätte jeweils alles wörtlich  übersetzen wollen, da wäre etwas gänzlich anderes dabei rausgekommen. Also: Man gar nicht alles wörtlich übersetzen, weil das was dabei herauskommt, das  nicht mehr das original Gesagte überbringen kann. Es gibt so viele Redewendungen, die dringend benutzt werden mussten, die nicht wörtlich übertragbar gewesen wären. Schon in den Vorgesprächen mit den Senioren stiegen wir direkt in die plattdeutsche Sprache ein, während bei zufälligen Treffen in der Stadt hochdeutsch gesprochen wurde. Dabei waren die plattdeutschen Begegnungen sehr viel direkter und auch intensiver in der Zwischenmenschlichkeit als die mehr unverbindlichen Begegnungen in der Stadt. Da kann man dabei aus der Rückschau auch feststellen, dass die plattdeutsche Sprache ein Gefühl der Nähe vermittelte. Ja, das war auch ein Zeichen, dass man aus dem gleichen Umfeld kam und sich von daher schon sehr unproblematisch gegenseitig verstand. So konnte man deutlich merken, dass die Gesprächspartner in ähnlicher Weise gelebt haben, etwa mit gleichen Strukturen im familiären Bereich. Und sicherlich hat auch diese Gegend in ihrer damaligen Ärmlichkeit und Kargheit die Menschen deutlich in ihrer ländlich landwirtschaftlichen Art geprägt.

M. Heuking – Seeger: Plattdeutsch im eigenen Leben

Welche Rolle spielt die plattdeutsche Sprache in der Gegenwart in Ihrem persönlichen Umfeld?

Um es vorweg zu sagen: Eigentlich gar keine mehr. Im schulischen Bereich sieht das so aus, dass ich zuständig bin hier an der Volkshochschule in Lingen für Schülerinnen und Schüler, die im ersten Bildungsweg keinen Abschluss bekommen haben diesen hier nachholen können in Bezug auf Hauptschule und Realschule. Ich habe einmal in all diesen Jahren eine Situation gehabt, dass ein Schüler der offensichtlich durch alle Maschen gefallen war, der nur Plattdeutsch reden konnte. Dort hatte ich den Vorteil als Plattprecherin, dass ich ihn sofort ansprechen konnte und er mir vertraute. Hätte ich keine Plattdeutschkenntnisse gehabt, wäre er sicherlich nie wieder aufgetaucht. Wenn ich aber mir vorstelle, dass ich als Altenpflegerin oder Krankenschwester tätig wäre, da wird sicherlich sehr häufig eine Plattdeutsch – Kompetenz gebraucht. Aber gerade auch auf den Ämtern wäre es sehr hilfreich, wenn dort Angestellte auch in plattdeutscher Sprache ansprechbar wären. So könnten manche Hemmnisse ganz schnell abgebaut werden können.

 

M. Heuking – Seeger: Platt als Teil der Berufswelt…

 

Nun haben Sie ja die plattdeutsche Sprache zu einem Teil ihrer Berufswelt gemacht. Darüber können Sie mehr erzählen….

Vor etlichen Jahren haben wir eine Radiosendung über die Ems – Vechte – Welle produziert mit dem Titel Fröher gaff`t datt nich. Dort hatte sich eine Gruppe zusammengefunden von 8 und 12 Senioren, die alle Plattdeutsch sprechen konnten. Die Sendung ist dann auch auf Plattdeutsch ausgestrahlt worden. Dabei wir es uns auch zur Auflage gemacht, urplattdeutsche Musik mit ein zu bringen. Bei diesen Treffen haben wir uns verschiedene Themen ausgesucht. Es waren meistens die Senioren, die diese Auswahl vorgenommen haben. Dabei handelte es sich um die Vorstellung von Sitten und Gebräuchen hier aus dem Emsland wie etwa die Erstkommunion oder der erste Schultag, aber auch die Kirmes und das Schützenfest. Es wurde ebenfalls die alltägliche Arbeit beschrieben, wie etwa der Waschtag im Alltagsablauf der Frau. Es wurden also alle wichtigen Elemente des täglichen Lebens und des Jahresablaufs besprochen. Die Sendung war so aufgebaut, dass die Senioren jeweils erzählt haben. Sie waren durchweg 70 bis 90 Jahre alt und sie konnten in ihrem Erinnerungsvermögen noch einmal ein bis zwei Generationen weiter zurückgehen. Dabei kamen interessante Fakten und Geschehnisse heraus, die ansonsten vergessen gewesen wären. Eine besondere Rolle spielte in diesem Zusammenhang Frau Rosa Bunge aus Brögbern, die mittlerweile auch nicht mehr lebt. So hat sie auch einmal aus ihrer frühen Kindheit erzählt über einen Bischofsbesuch. Dieser hohe Würdenträger der Kirche hatte damals eine noch herausgehobenere Stellung als heute. Man ging also davon aus, dass er während seines Aufenthaltes beim dörflichen Pastor untergebracht werden würde. Aber der Bischof hatte einen anderen Wunsch: Er hatte das Bedürfnis, mit der Bevölkerung direkt in Kontakt zu treten zu können. Dabei ging er sogar soweit, dass er nicht im Pfarrhaus schlafen wollte, sondern bei einer ganz normalen Familie aus im Kreis der Gläubigen. Damit hatte keiner gerechnet und es war „Holland in Not“. Frau Bunge erzählte nun darüber, dass der Bischof zu ihr in die Familie kam. Alles wurde aus feinste hergerichtet, nur das Plumpsklo bereitete Sorgen. So entschloss man sich kurzerhand, eine weiße Damast Tischdecke dort auf zu legen und ein entsprechendes Loch ein zu schneiden für den Fall, dass der Bischof diese Lokalität auch aufsuchen musste.

Auch die Berichte über das Verhalten der Mitmenschen in Ihrer Direktheit waren jeweils faszinierend und es entstanden so besondere Zeitzeugnisse, die die Gegend und die Menschen hier sehr fein beschrieben haben. Die Rückmeldungen nach den Sendungen zeigten deutlich, dass wir mit diesen Sendeinhalten die Menschen der Region erreicht haben. Natürlich hat das den beteiligten Senioren auch sehr viel Freude bereitet.

M. Heuking – Seeger: Aus dem Plattdeutschen gelebt

 

Wenn Sie über die Begegnungen mit den Senioren so berichten, dann gewinnt man den Eindruck, dass diese Menschen aus dem Plattdeutschen heraus gelebt und erzählt haben…

Ja, das kann man so sagen. Wenn man jeweils hätte jeweils alles wörtlich  übersetzen wollen, da wäre etwas gänzlich anderes dabei rausgekommen. Also: Man gar nicht alles wörtlich übersetzen, weil das was dabei herauskommt, das  nicht mehr das original Gesagte überbringen kann. Es gibt so viele Redewendungen, die dringend benutzt werden mussten, die nicht wörtlich übertragbar gewesen wären. Schon in den Vorgesprächen mit den Senioren stiegen wir direkt in die plattdeutsche Sprache ein, während bei zufälligen Treffen in der Stadt hochdeutsch gesprochen wurde. Dabei waren die plattdeutschen Begegnungen sehr viel direkter und auch intensiver in der Zwischenmenschlichkeit als die mehr unverbindlichen Begegnungen in der Stadt. Da kann man dabei aus der Rückschau auch feststellen, dass die plattdeutsche Sprache ein Gefühl der Nähe vermittelte. Ja, das war auch ein Zeichen, dass man aus dem gleichen Umfeld kam und sich von daher schon sehr unproblematisch gegenseitig verstand. So konnte man deutlich merken, dass die Gesprächspartner in ähnlicher Weise gelebt haben, etwa mit gleichen Strukturen im familiären Bereich. Und sicherlich hat auch diese Gegend in ihrer damaligen Ärmlichkeit und Kargheit die Menschen deutlich in ihrer ländlich landwirtschaftlichen Art geprägt.