Gesteckte Ziele nicht erreicht – Landschaftstag 2012

 

KOMMENTAR zum Landschaftstag 2012 im Kloster Frenswegen. Veranstalter war die Emsländische Landschaft

Ostfriesen nacheifern

Von Ludger Jungeblut

Plattdeutsch fasziniert bis heute. Deshalb ist es vornehmste Aufgabe der Emsländischen Landschaft, sich um den Erhalt und um die Verbreitung der niederdeutschen Sprache zu kümmern, die den Bewohnern der Region eine unverwechselbare Identität gibt.

Die Emsländische Landschaft widmete dieser Thematik am 16. November 2012 im Kloster Frenswegen einen ganzen Landschaftstag.

Ehrgeizige Ziele wurden gesteckt.

Doch die Zwischenbilanz sei ambivalent, stellte jetzt der Geschäftsführer der Emsländischen Landschaft, Josef Grave, in der Mitgliederversammlung in Lingen ehrlicherweise fest.

Einige Projekte ließen sich nicht verwirklichen, während andere Vorhaben im Zusammenhang mit Kindergärten auf gutem Weg seien.

Die Herausforderung ist groß. denn Plattdeutsch ist inzwischen in Städten wie zum Beispiel Lingen fast völlig verschwunden. Jetzt rächt es sich, dass viele Schulen im hiesigen Raum in den Sechziger-und Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts Plattdeutsch aus dem Unterricht regelrecht verbannten.

Es bleibt also spannend, ob es doch noch gelingt, die plattdeutsche Sprache langfristig zu erhalten und in dieser Hinsicht den Ostfriesen nachzueifern. Landschaftspräsident Hermann Bröring wird im Team mit vielen Mitstreitern nichts unversucht lassen, dieses große Ziel zu erreichen.

I.jungeblut@

lingener-tagespost.de  Montag, 13. Januar 2014

https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/442154/den-ostfriesen-nacheifern

 

Prof. Dr. Utz Maas (Uni Osnabrück) zu GETAS und mehr

Der Sprachwissenschaftler Professor Dr. Utz Maas stellt auf einer Fachtagung in Herford in Zusammenarbeit mit den Fachkollegen Prof. Dr. Ludger Kremer (Antwerpen), Prof. Dr. Niebaum (Groningen) und Prof. Dr. Hans Taubken (Münster) fest (s. u.) :

Von dieser Untersuchung sind wichtige Differenzierungen gegenüber den allzu undifferenzierten Ergebnissen der GETAS Befragung zu erwarten.

Hier tritt also ein Schulpraktiker gegen einen Hochschullehrer an und dessen Kollegen stellen fest:

Alle waren sehr angetan von Ihrem Vorhaben und den Vorarbeiten. Im Rahmen des Machbaren (jedenfalls bei den institutionalen Rahmenbedingungen, unter denen Sie die Untersuchung durchführen wollen) handelt es sich sicherlich um ein Optimum.

Foto des Logo: Archiv Robben

Vergleich der Kosten GETAS – Untersuchung Emsland

Während die GETAS – Befragung unter Prof. Dr. Stellmacher (Universität Göttingen)  ca. 330.000 DM kostete, fielen bei der Untersuchung im Emsland lediglich etwa 6.000 DM an Kosten an, weil keine Personalkosten zu zahlen waren…

Dr. Stellmacher erklärt:

Eine großangelegte und repräsentativ ausgerichtete Untersuchung zur Lage des Niederdeutschen heute, bei der die Datensammlung in Zusammenarbeit mit der GETAS professionell erfolgen sollte, ist nicht billig. Für die finanzielle Absicherung traten die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit einem Beitrag von 224 000,- ein und die Bremer Wolfgang –  Ritter –  Stiftung, die die Restfinanzierung besorgte (20 000,-). Nicht zu vergessen sind die vom Institut für niederdeutsche Sprache übernommene Kosten für die Voruntersuchung und die Hochschullehrergespräche. (Seite 11/12)

Brief von Prof. Dr. Menke an Herrn Göken (Lk Emsland)

Sehr geehrter Herr Göken,

auf Ihre Rückfrage hin darf ich Ihnen antworten, daß von unserer Seite durch meinen Mitarbeiter, Herrn Frerk Möller, folgende Arbeiten durchgeführt werden:

  1. Erarbeitung der Kodieranweisung,
  2. Einweisung eines Mitarbeiters (beim Landkreis) in die Datenspeicherung,
  3. rechnerische Auswertung des in den Computer eingegebenen Datenmaterials (mit Fehlerbereinigung) = Strukturierung.

Die Kodierung der Fragebögen selbst (nach der Kodieranweisung)

und die Dateneingabe sollte durch einen Ihrer Mitarbeiter erfolgen.

Uns müßte dann nur die fertige Diskette zugeleitet werden.

Herr Möller, der Ihnen den genauen Arbeitsablauf alsbald selbst noch einmal mitteilen wird, erbittet für seine Arbeitsleistung einen Betrag in Höhe von DM 3.500,00 (dreitausendfünfhundert), Dieser Betrag entspricht den Unkosten, die seinerzeit von mir für eine vergleichbare Arbeit (flächendeckende Mikrozensus-Erhebung im nordfriesischen Regiolektraum) ausgezahlt wurden (Werkvertrag).

So hoffe ich, daß die Untersuchung alsbald fortgesetzt werden kann und bin mit freundlichen Grüßen

gez. Prof. Dr. H. Menke

Prof. Dr. H. Menke (Uni Kiel) zu GETAS

Auch Prof. Dr. Hubertus Menke, derzeitiger Lehrstuhlinhaber “Niederdeutsch” an der Universität Kiel, kritisiert die fachspezifische Aussagequalität der GETAS Umfrage deutlich:

Zur Sprachkompetenz des Erhebungsgebietes kann daher ohne Zweifel Konkretes ausgesagt werden, auf jeden Fall mehr als durch die Einschätzungserhebung der Ihnen womöglich bekannten GETAS-Untersuchung.

Noch einmal im Kontext zu der Beurteilung der Entwurfs der “Emsland – Untersuchung” (Robben):

Diese Hilfestellung fällt mir umso leichter, als das von Herrn Robben durchgeführte Erhebungsverfahren mir statistisch einwand­frei erscheint und sicher zu beurteilende bzw. zu kontrollierende Testführungen enthält. Zur Sprachkompetenz des Erhebungsgebietes kann daher ohne Zweifel Konkretes ausgesagt werden, auf jeden Fall mehr als durch die Einschätzungserhebung der Ihnen womöglich bekannten GETAS-Untersuchung. Ebenso scheint mir die Auswahl der Probanden-Gruppe signifikant für prognostizierende Schlüsse zu sein. Ich bin daher selbst auf die Ergebnisse gespannt.

Foto:https://de.wikipedia.org/wiki/Christian-Albrechts-Universit%C3%A4t_zu_Kiel#/media/File:Olshausenstrasse_Kiel_Zugang_Uni.jpg

Dr. W. Lindow zu GETAS

Auch der ansonsten sehr zurückhaltende und sachliche damalige Geschäftsführer  des ins, Dr. Wolfgang Lindow, nimmt klar Stellung zur GETAS Befragung:

Sehr geehrter Herr Robben,

für die Überlassung des reichen Materials danke ich Ihnen sehr herzlich, enthält es doch eine Fülle von Anregungen und viele Ansätze, die erfolgversprechend scheinen. Ich möchte Ihrem Anlagenschema entsprechend wunschgemäß zu dem einen oder anderen einige Anmerkungen machen.

Anmerkungen zur GETAS-UMFRAGE

Die relativ guten Ergebnisse sind nicht nur bei Ihnen auf Skepsis gestoßen, weichen sie doch von denen ab, die man aus eigenen Erfahrungen und Beobachtungen herleitet.

——

Kurzum: Mir scheint bei dieser gründlichen Vorbereitung ein wirklich mustergültiger Test entstanden zu sein, der so auch Grundlage für vergleichbare Erhebungen in anderen Regionen werden könnte. Ich wünsche dem Vorhaben viel Erfolg und den Beteiligten Freude an dieser Arbeit.

Mit freundlichen Grüßen

INSTITUT FÜR NIEDERDEUTSCHE SPRACHE

 

 

 

 

 


Da dieser Brief über mehrere Seiten geht, wurde er auf die hier wesentlichen Ausführungen eingekürzt. Das Original liegt vor.

Foto: https://de.wikipedia.org/wiki/Institut_f%C3%BCr_niederdeutsche_Sprache#/media/File:Schnoor-01.jpg

Der Schmied zu Astrup

Hochdeutsche Fassung des Textes

Nicht weit von Diekens Hof wohnte der Schmied zu Astrup. Der war auf das Erdengut mehr bedacht als auf das Flimmlische. Trotz (obwohl) er genug hatte, wollte er immer noch mehr haben.

Es war ein Tag vor Weihnachten, als er einen neuen Wagen beschlug (eiserne Beschläge an einem neuen Wagen anbrachte). Aber wenn (obwohl, obschon) er noch so fleißig war, er konnte (es) nicht schaffen. Er dachte: “Nun kommen drei Feiertage nach der Reihe, wo (an denen) du nichts verdienen kannst, der Wagen soll fertig werden.”

Früh am Morgen, am ersten Weihnachtstag, als die anderen Leute noch schliefen, stand der Schmied mit seinen beiden Gesellen schon am Amboß. Als die ersten Nachbarn auf dein Weg zur 1. Messe am 1. Weihnachtstage (Kerzenandacht) waren, ging es in der Schmiede allemal (so zu): Drei Groschen der Nagel – drei Groschen der Nagel.

Da kam wieder ein Trupp Leute vorbei und sang Weihnachtslieder.

“Die wollen wir einmal erschrecken” sagte der Schmied, griff den Ham­mer, schmiß (schlug) ihn auf dein Amboß, spuckte darauf und hielt das glühende Eisenstück da hinein.

Hoch zog er den Hammer und mit aller Macht ließ er ihn auf dem Amboß fallen, daß (damit) es fürchterlich knallen sollte.

Es knallte auch mächtig, aber mit dem Schlag versank die Schmiede mitsamt dem Schmied und seinen Gesellen in der Erde. Da (so nämlich) kriegten (bekamen) sie von dem Teufel ihren Lohn.

Das Loch aber, wo die Schmiede gestanden hat, ist noch zu sehen, bei Diekens Hof in Astrup bei Schledehausen,

 

Seite 16

     De Schmedt to Astrup

 De Schmedt to Astrup (up Platt)

(abgedruckt im Ossenbrügger Platt-Lesebuch, S. 172)

Nich wiet van Diekens Huawe wuohnde de Schmedt to Astrup. De was up dat Erdengout mehr bedacht os up dat himmelske. Trotz dat he genoug hadde, woll he ümmer no mehr hebben.

Et was’n Dag vo Wiehnachten, os he äinen niggen Wagen beschlöig. Owwer wenn he nau so fliedig was, he konn’t nich schaffen. He dachte: “Nu kuomt dräi Fierdage no de Riege, wo du nix vodäinen kanns, de Wagen schalt ftrrig wenn.”

Frouh an’n Muorden, an’n ersten Wiehnachtsdag, os de annern Lüe no schlöipen, stönd de Schmedt met siene MWen Gesellen ol an’n Amboß. Os de ersten Nauwers up den Weg no de Kassuchte wörn, göng et in de Schmie’e ol: Dräi Grössen de Nagel – Dräi Grössen de Nagel. Do keimp we’n Tropp Lüe vorbi un sttng Wiehnachtsläider.

“De wüllt wi es voftihrden”, siär de Schmedt, greip den Hamer, schmeit’n up den Amboß, spiggede dor up un höilt dat glöinige Iesenstücke dor in. Hauge töig he den Hammer un met olle Macht löit he em up den Amboß fallen, dat et fürchterlick knallen scholl.

Et knallde auk mächtig, owwer met den Schlag vosünk de Schmie’e met-samt den Schmedt un siene Gesellen in de Erden. Dor kreigen se von den Düwl iären Lauhn.

Dat Lock owwer, wor de Schmie’e stauhn heff, es no to säihn, bi Diekens Huawe in Astrup bi Schliäsen.                 Seite 15 Deutsch

Unterrichtshilfen

Hier sollen verschiedene Ansätze geboten werden für den Unterricht und die Betreuungsstunden in der Schule. Diese können in verschiedener Form methodisch und didaktisch weiter entwickelt werden. Teilweise gibt es dazu auch Hörproben….

Bestandsaufnahme im Landkreis Borken 1983

 

Dieser Landkreis, der sich südlich der Grafschaft Bentheim entlang der niederländischen Grenze in Richtung Ruhrgebiet erstreckt, ist im gesamten niederdeutschen Grenzbereich sprachwissenschaftlich auf die Entwicklung des Plattdeutschen wohl am besten untersucht. Bereits 1981 lag die schon erwähnte umfangreiche Bestandsaufnahme von Prof. Dr. Ludger Kremer vor, die 2001 in etwas kleinerem Rahmen wiederholt wurde und damit die weitere Sprachentwicklung dieses Zeitraumes von 20 Jahren nachzeichnet. Waren damals schon ähnliche Ergebnisse wie zehn Jahre später im Landkreis Emsland festgestellt worden, heißt es 2001: Ist es trotz der inzwischen überwiegend positiven Einstellung der Bevölkerung zum Plattdeutschen gegenüber dem Westmünsterland – wie auch anderswo – nicht gelungen, die tatsächliche Zahl der Plattsprecher zu erhöhen, im Gegenteil: Der Dialektschwund setzt sich mit erhöhtem Tempo fort. An anderer Stelle wird diese Feststellung so untermauert: Die Zahlen für 2001 zeigen uns also im Vergleich zu 1981 sehr deutlich, in welcher Weise die sozial höheren Schichten als Leitbild fungiert haben: Die Arbeiter haben sich ihnen angepasst und inzwischen bei Dialektkompetenz und -gebrauch die niedrigen Werte der (Leitenden) Angestellten von 1981 fast erreicht, selbst die relativ sprachkonservative Gruppe der Landwirte tendiert in die gleiche Richtung und kann kaum noch als nennenswerte Bastion des Plattdeutschen verstanden werden[1].

Wo liegt die Hauptursache für diese Sprachentwicklung?

In hohem Maße verantwortlich … ist die Schule … Die Schule war im 19. und im frühen 20. Jahrhundert eine der frühesten und erfolgreichsten Vorkämpfer für das Hochdeutsche, sie war der Grund für die Entscheidung der letzten drei Elterngenerationen in Niederdeutschland, mit ihren Kindern (zunächst einmal) Hochdeutsch zu sprechen, um ihnen – so hoffte man wenigstens – Schulschwierigkeiten zu ersparen[2].

Wenn das seinerzeit so war – und alle Erfahrungen sprachen dafür –, lag es nahe, die Situation rund um den Stellenwert des Plattdeutschen Ende der 80er  auch in den Grundschulen des Emslandes näher zu untersuchen.

 


[1] Ludger Kremer/Veerle Van Caeneghem, Dialektschwund im Westmünsterland. Zum Verlauf des niederdeutsch-hochdeutschen Sprachwechsels im 20. Jahrhundert (Westmünsterland. Quellen und Studien, Bd. 17), Vreden 2007, S. 129-130.

[2] Ebd. S. 130.