Auswertung der Untersuchung zum Stand des Plattdeutschen im Landkreis Emsland 1989

 Vorgeschichte

Sprache ist ohne Zweifel das höchste Kulturgut des Menschen. Und da verschwindet eine über Jahrhunderte angestammte Regionalsprache innerhalb weniger Jahrzehnte fast völlig. Deshalb wurde schon im Jahre 1989 eine umfassende Bestandsaufnahme bei allen Kindern des vierten Schuljahres (insgesamt 3185 Mädchen und Jungen) im Landkreis Emsland durchgeführt[1]. Die damaligen Ergebnisse der kombinierten Schüler- und Elternbefragung waren ernüchternd. Da diese Untersuchung mittlerweile mehr als zwanzig Jahre her ist und für eine erneute Befragung nach damaligem Muster die Ressourcen fehlen, bot es sich an, sich in einer Art Kurzbefragung (15 Kernfragen) in den Kollegien der Grundschulen zu erkundigen, wie es gegenwärtig um die plattdeutschen Aktivitäten und Kompetenzen bei Schülern und Lehrern steht. Dabei wurde nun die Grafschaft Bentheim ebenfalls in die anonyme Befragung mit einbezogen. Bei der Durchführung hat sich gezeigt, dass die Ausweitung dieser Untersuchung auf das Bentheimer Land sehr sinnvoll war. Sie ist dort in den Schulen auf stärkeres Interesse und größere Akzeptanz gestoßen als im Landkreis Emsland. 28 von 31 (= 90 Prozent) angeschriebenen Grafschafter Schulen haben geantwortet. Im benachbarten Landkreis Emsland schickten von 42 angeschriebenen Schulen 30 (= 72 Prozent) die ausgefüllten Antwortbögen zurück. Der enorme Rückgang des plattdeutschen Sprachvermögens von Heranwachsenden schon vor zwanzig Jahren mit dem Vergleich der Plattdeutschaktivitäten von heute in einem Großteil der Grundschulen im Arbeitsbereich der Emsländischen Landschaft zeigt unumstößlich: Der aktive Umgang mit dem Plattdeutschen ist in der jüngeren Generation nicht mehr gegeben, da er im Elternhaus offensichtlich (bewusst) nicht vermittelt wird. Umso interessanter wird damit die Frage, welche Rolle die Grundschule von heute als nächste Vermittlungsinstanz spielt.

Anlass und Ziel der Untersuchung im Landkreis Emsland im Jahre 1989/90

Der eigentliche damalige Anlass für die doch sehr aufwändige Untersuchung war ein Besuch im Niederdeutschen Institut im Schnoorviertel in Bremen in den Sommerferien 1987 mit dem Ziel der Sichtung neuen Unterrichtsmaterials für die Plattdeutsch AG in der Schule. Im Gespräch mit dem damaligen Geschäftsführer Dr. Schuppenhauer kam das Gespräch auf die derzeitige Plattdeutschsituation an den Schulen im niederdeutschen Sprachbereich. Dazu holte Dr. Schuppenhauer zwei noch jüngere Untersuchungen von seinem Schreibtisch. Das war zum einen die Untersuchungen von Prof. Dr. Dieter Stellmacher (Lehrinstuhlinhaber Niederdeutsch Universität Göttingen) mit dem Titel „Wer spricht Platt? Zur Lage des Niederdeutschen heute“[2] aus dem Jahre 1987 und zum anderen eine Enquete aus dem Jahre 1982 von Professor Dr. Ludger Kremer von der Reijksuniversität Antwerpen im Landkreis Westmünsterland[3].

Die Bestandsaufnahme von Stellmacher war im Auftrage des Niederdeutschen Institutes im gesamten niederdeutschen Sprachbereich (Kosten: über 300.000 DM) durchgeführt worden. Allerdings mussten dem kundigen Leser in der kurz gefassten Bestandsaufnahme von 1987 deutliche Widersprüche auffallen (siehe Seite…). Diese wurden indirekt bestätigt durch die Lektüre der Umfrageauswertung von Professor Kremer im Landkreis Borken.

So reifte die Idee, durch eine umfassende Befragung aller Schüler und Schülerinnen der 4. Schuljahre im Landkreis Emsland einen aktuellen Forschungsbefund in Nordwestdeutschland vorstellen zu können, der um eine wichtige Untersuchungskomponente ergänzt werden sollte: die aktive Sprachkompetenz.

Dieser Plan gefiel dem damaligen Leiter des Schulaufsichtsamtes Emsland Alfons Lögering und er richtete eine Arbeitsgruppe zu diesem Vorhaben unter seiner Leitung ein. Nahezu zeitgleich begann ein anderer Lehrerarbeitskreis mit der Planung eines plattdeutschen Lesebuches auf Landkreisebene. In den benachbarten Regionen Oldenburg und Osnabrück gab es solche Unterrichtswerke schon und sie erfreuten sich ständig größerer Beliebtheit in den Schulen. Hierbei stellte sich heraus, dass in der Lehrerschaft der Primar- und Sekundarstufe 1 dieses Raumes eine hohe Plattdeutschkompetenz vorhanden war: Nahezu 40 Prozent der Lehrpersonen konnte platt sprechen.

Vorbereitung und Durchführung der Befragung 1989/90

Die Untersuchung wurde nun mit der Unterstützung des Schulaufsichtsamtes des Kreises Emsland durchgeführt[4]. In zwei Vorläufen in den fünften Klassen der Orientierungsstufen in Emsbüren und in Spelle wurden die Entwürfe zum Fragebogen getestet und verbessert. Schließlich wurden alle Klassenlehrer des vierten Schuljahres im gesamten Emsland in den sechs einzelnen Dezernaten zur Dienstbesprechung eingeladen und in das genauere Verfahren eingewiesen. Jedem Klassenlehrer wurden eine bespielte Tonkassette und eine Mappe mit zwei Arbeitsbögen für die Schüler nebst einem Elternfragebogen überreicht. Die Schüler hatten zunächst einen plattdeutschen Text, der auf der Kassette vorgesprochen wurde, ins Plattdeutsche zu übersetzen. Danach mussten die Kinder hochdeutsche Wortgruppen ins Plattdeutsche übertragen. Anschließend wurden diese Tests von den jeweiligen Klassenlehrpersonen vorauswertet. Diese Methode hat sich als sehr praktikabel erwiesen. Insgesamt war die Art der Beteiligung der Grundschullehrpersonen sehr positiv, was sich insbesondere bei Rückfragen zeigte, die vereinzelt nötig waren.

Zeitgleich war zunächst schriftlich, dann telefonisch und schließlich persönlich Kontakt aufgenommen zu dem niederdeutschen Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Ludger Kremer, der gezielt die jeweiligen Schritte im Emsland fachspezifisch kommentierte und Tipps gab zu der weiteren Vorgehensweise. Weiterhin stellte er das emsländische Vorhaben auf der jährlichen Pfingsttagung der beteiligten niederdeutschen Sprachwissenschaftler vor. Daraus ergab sich das Angebot des Kieler Lehrstuhlinhabers Prof. Dr. Hubertus Menke, dass in der dortigen niederdeutschen Abteilung die emsländischen Daten sprachwissenschaftlich ausgewertet werden konnten. Da vom Landkreis die entsprechende finanzielle Zusage kam, konnten nach einer Vorauswertung fast 10.000 Seiten Schüler- und Elternbefragung nach Kiel gebracht werden.

Veröffentlichung der Ergebnisse

Damit lag eine umfangreiche regionale Untersuchung vor, die erstmals unterschied zwischen aktiver und passiver Sprachkompetenz auf Grund objektiver Testdaten. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Untersuchungswerten war auch in Fachkreisen so nicht vermutet worden: Nur noch drei Prozent der damals Zehnjährigen konnten gut plattdeutsch sprechen, aber über 40 Prozent der Heranwachsenden vermochten plattdeutsch noch gut zu verstehen.

Im Vorfeld zu dieser Untersuchung war von dem damaligen emsländischen Oberkreisdirektor Karl-Heinz Brümmer in einem persönlichen Gespräch in Aussicht gestellt worden, dass die Ergebnisse etwa im Rahmen der schon bestehenden Buchreihe „Wald im Emsland und „Moor im Emsland“ unter dem Titel „Plattdeutsch im Emsland“ veröffentlicht werden könnten. Als dann die Auswertungen der umfangreichen Untersuchungsdaten schriftlich vorlagen, zeigte der Nachfolger des plötzlich verstorbenen Karl-Heinz Brümmer auf dem Chefsessel der Kreisverwaltung offenbar wenig Interesse an einer Veröffentlichung des Aufsatzes in der Region, obwohl die bisherigen Sachkosten für diese Enquete großzügig vom Landkreis bezahlt worden waren. In einem Gespräch mit ihm und zwei weiteren Treffen mit dem Leiter der Schul- und Kulturabteilung des Landkreises stellte sich zunehmend deutlicher heraus, dass eine Veröffentlichung von dort nicht unterstützt werden sollte.

Daraufhin bot Prof. Dr. Ludger Kremer an, die Auswertung aufzunehmen in eine Aufsatzsammlung mit dem Titel „Diglossiestudien“[5]. Darin wurden weitere, allerdings kleinere Untersuchungen diesseits und jenseits der holländischen Grenze jeweils in der Landessprache vorgestellt. Damit war nun leider verbunden, dass diese emsländischen Ergebnisse in Wort und Grafik nur einem ganz begrenzten sprachwissenschaftlich interessierten Leserkreis vornehmlich außerhalb des Untersuchungsgebietes zugängig waren.

[1] Bernd und Eva Robben, Mundartgebrauch im Kreis Emsland. Eine regionale Schüler- und Elternbefragung, in: Diglossiestudien. Dialekt und Standardsprache im niederländisch-deutschen Grenzland. Hrsg. von Ludger Kremer/Landeskundliches Institut Westmünsterland (Westmünsterland. Quellen und Studien, Bd. 1), Vreden 1993, S. 89-122 (das letztere weiterhin, Kremer, Diglossiestudien). Für die Grafschaft Bentheim gibt es eine neuere Studie über die Sprachverhältnisse unter den Altreformierten hauptsächlich der Niedergrafschaft, die lange Zeit dreisprachig (Niederländisch, Hochdeutsch und Plattdeutsch) waren, wobei sowohl das Niederländische wie das Plattdeutsche an Boden verlieren (Melanie Bolks, Zur Triglossie in der Evangelisch-altreformierten Kirche der Grafschaft Bentheim – eine empirische Untersuchung, in: Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie Bd. 44, Münster 2004, S. 217-233).

[2] Dieter Stellmacher, Wer spricht Platt? Zur Lage des Niederdeutschen heute. Eine kurzgefaßte Bestandsaufnahme (Schriften des Instituts für niederdeutsche Sprache, Reihe Dokumentation, Nr. 14), Leer 1987.

[3] Die Befragung wurde von Kremer in Zusammenarbeit mit dem Schulamt des Kreises Borken im Jahre 1981 durchgeführt, die Ergebnisse wurden in zusammengefasster Form veröffentlicht in: Ludger Kremer, Mundart im Westmünsterland. Aufbau, Gebrauch, Literatur (Schriftenreihe des Kreises Borken, Bd. 5), Borken 1983 (weiterhin Kremer, Westmünsterland).

[4] Der damalige Leiter des Schulaufsichtsamtes Emsland, Schulamtsdirektor Alfons Lögering, nahm dankenswerterweise sofort die Idee der kombinierten Schüler- und Elternbefragung auf und richtete zu ihrer Vorbereitung eine Arbeitsgruppe mit Helmut Diers, Karl Oldiges und Bernhard Tengen ein.

[5] Kremer, Diglossiestudien (wie Anm. 1).

Untersuchung im Landkreis Emsland 1989

Vorgeschichte

Sprache ist ohne Zweifel das höchste Kulturgut des Menschen. Und da verschwindet eine über Jahrhunderte angestammte Regionalsprache innerhalb weniger Jahrzehnte fast völlig. Deshalb wurde schon im Jahre 1989 eine umfassende Bestandsaufnahme bei allen Kindern des vierten Schuljahres (insgesamt 3185 Mädchen und Jungen) im Landkreis Emsland durchgeführt[1]. Die damaligen Ergebnisse der kombinierten Schüler- und Elternbefragung waren ernüchternd. Da diese Untersuchung mittlerweile mehr als zwanzig Jahre her ist und für eine erneute Befragung nach damaligem Muster die Ressourcen fehlen, bot es sich an, sich in einer Art Kurzbefragung (15 Kernfragen) in den Kollegien der Grundschulen zu erkundigen, wie es gegenwärtig um die plattdeutschen Aktivitäten und Kompetenzen bei Schülern und Lehrern steht. Dabei wurde nun die Grafschaft Bentheim ebenfalls in die anonyme Befragung mit einbezogen. Bei der Durchführung hat sich gezeigt, dass die Ausweitung dieser Untersuchung auf das Bentheimer Land sehr sinnvoll war. Sie ist dort in den Schulen auf stärkeres Interesse und größere Akzeptanz gestoßen als im Landkreis Emsland. 28 von 31 (= 90 Prozent) angeschriebenen Grafschafter Schulen haben geantwortet. Im benachbarten Landkreis Emsland schickten von 42 angeschriebenen Schulen 30 (= 72 Prozent) die ausgefüllten Antwortbögen zurück. Der enorme Rückgang des plattdeutschen Sprachvermögens von Heranwachsenden schon vor zwanzig Jahren mit dem Vergleich der Plattdeutschaktivitäten von heute in einem Großteil der Grundschulen im Arbeitsbereich der Emsländischen Landschaft zeigt unumstößlich: Der aktive Umgang mit dem Plattdeutschen ist in der jüngeren Generation nicht mehr gegeben, da er im Elternhaus offensichtlich (bewusst) nicht vermittelt wird. Umso interessanter wird damit die Frage, welche Rolle die Grundschule von heute als nächste Vermittlungsinstanz spielt.

Anlass und Ziel der Untersuchung im Landkreis Emsland im Jahre 1989/90

Der eigentliche damalige Anlass für die doch sehr aufwändige Untersuchung war ein Besuch im Niederdeutschen Institut im Schnoorviertel in Bremen in den Sommerferien 1987 mit dem Ziel der Sichtung neuen Unterrichtsmaterials für die Plattdeutsch AG in der Schule. Im Gespräch mit dem damaligen Geschäftsführer Dr. Schuppenhauer kam das Gespräch auf die derzeitige Plattdeutschsituation an den Schulen im niederdeutschen Sprachbereich. Dazu holte Dr. Schuppenhauer zwei noch jüngere Untersuchungen von seinem Schreibtisch. Das war zum einen die Untersuchungen von Prof. Dr. Dieter Stellmacher (Lehrinstuhlinhaber Niederdeutsch Universität Göttingen) mit dem Titel „Wer spricht Platt? Zur Lage des Niederdeutschen heute“[2] aus dem Jahre 1987 und zum anderen eine Enquete aus dem Jahre 1982 von Professor Dr. Ludger Kremer von der Reijksuniversität Antwerpen im Landkreis Westmünsterland[3].

Die Bestandsaufnahme von Stellmacher war im Auftrage des Niederdeutschen Institutes im gesamten niederdeutschen Sprachbereich (Kosten: über 300.000 DM) durchgeführt worden. Allerdings mussten dem kundigen Leser in der kurz gefassten Bestandsaufnahme von 1987 deutliche Widersprüche auffallen (siehe Seite…). Diese wurden indirekt bestätigt durch die Lektüre der Umfrageauswertung von Professor Kremer im Landkreis Borken.

So reifte die Idee, durch eine umfassende Befragung aller Schüler und Schülerinnen der 4. Schuljahre im Landkreis Emsland einen aktuellen Forschungsbefund in Nordwestdeutschland vorstellen zu können, der um eine wichtige Untersuchungskomponente ergänzt werden sollte: die aktive Sprachkompetenz.

Dieser Plan gefiel dem damaligen Leiter des Schulaufsichtsamtes Emsland Alfons Lögering und er richtete eine Arbeitsgruppe zu diesem Vorhaben unter seiner Leitung ein. Nahezu zeitgleich begann ein anderer Lehrerarbeitskreis mit der Planung eines plattdeutschen Lesebuches auf Landkreisebene. In den benachbarten Regionen Oldenburg und Osnabrück gab es solche Unterrichtswerke schon und sie erfreuten sich ständig größerer Beliebtheit in den Schulen. Hierbei stellte sich heraus, dass in der Lehrerschaft der Primar- und Sekundarstufe 1 dieses Raumes eine hohe Plattdeutschkompetenz vorhanden war: Nahezu 40 Prozent der Lehrpersonen konnte platt sprechen.

Vorbereitung und Durchführung der Befragung 1989/90

Die Untersuchung wurde nun mit der Unterstützung des Schulaufsichtsamtes des Kreises Emsland durchgeführt[4]. In zwei Vorläufen in den fünften Klassen der Orientierungsstufen in Emsbüren und in Spelle wurden die Entwürfe zum Fragebogen getestet und verbessert. Schließlich wurden alle Klassenlehrer des vierten Schuljahres im gesamten Emsland in den sechs einzelnen Dezernaten zur Dienstbesprechung eingeladen und in das genauere Verfahren eingewiesen. Jedem Klassenlehrer wurden eine bespielte Tonkassette und eine Mappe mit zwei Arbeitsbögen für die Schüler nebst einem Elternfragebogen überreicht. Die Schüler hatten zunächst einen plattdeutschen Text, der auf der Kassette vorgesprochen wurde, ins Plattdeutsche zu übersetzen. Danach mussten die Kinder hochdeutsche Wortgruppen ins Plattdeutsche übertragen. Anschließend wurden diese Tests von den jeweiligen Klassenlehrpersonen vorauswertet. Diese Methode hat sich als sehr praktikabel erwiesen. Insgesamt war die Art der Beteiligung der Grundschullehrpersonen sehr positiv, was sich insbesondere bei Rückfragen zeigte, die vereinzelt nötig waren.

Zeitgleich war zunächst schriftlich, dann telefonisch und schließlich persönlich Kontakt aufgenommen zu dem niederdeutschen Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Ludger Kremer, der gezielt die jeweiligen Schritte im Emsland fachspezifisch kommentierte und Tipps gab zu der weiteren Vorgehensweise. Weiterhin stellte er das emsländische Vorhaben auf der jährlichen Pfingsttagung der beteiligten niederdeutschen Sprachwissenschaftler vor. Daraus ergab sich das Angebot des Kieler Lehrstuhlinhabers Prof. Dr. Hubertus Menke, dass in der dortigen niederdeutschen Abteilung die emsländischen Daten sprachwissenschaftlich ausgewertet werden konnten. Da vom Landkreis die entsprechende finanzielle Zusage kam, konnten nach einer Vorauswertung fast 10.000 Seiten Schüler- und Elternbefragung nach Kiel gebracht werden.

Veröffentlichung der Ergebnisse

Damit lag eine umfangreiche regionale Untersuchung vor, die erstmals unterschied zwischen aktiver und passiver Sprachkompetenz auf Grund objektiver Testdaten. Die Diskrepanz zwischen diesen beiden Untersuchungswerten war auch in Fachkreisen so nicht vermutet worden: Nur noch drei Prozent der damals Zehnjährigen konnten gut plattdeutsch sprechen, aber über 40 Prozent der Heranwachsenden vermochten plattdeutsch noch gut zu verstehen.

Im Vorfeld zu dieser Untersuchung war von dem damaligen emsländischen Oberkreisdirektor Karl-Heinz Brümmer in einem persönlichen Gespräch in Aussicht gestellt worden, dass die Ergebnisse etwa im Rahmen der schon bestehenden Buchreihe „Wald im Emsland und „Moor im Emsland“ unter dem Titel „Plattdeutsch im Emsland“ veröffentlicht werden könnten. Als dann die Auswertungen der umfangreichen Untersuchungsdaten schriftlich vorlagen, zeigte Hermann Bröring als Nachfolger des plötzlich verstorbenen Karl-Heinz Brümmer auf dem Chefsessel der Kreisverwaltung offenbar wenig Interesse an einer Veröffentlichung des Aufsatzes in der Region, obwohl die bisherigen Sachkosten für diese Enquete großzügig vom Landkreis bezahlt worden waren. In einem Gespräch mit ihm und zwei weiteren Treffen mit Herrn Diekmann als Leiter der Schul- und Kulturabteilung des Landkreises stellte sich zunehmend deutlicher heraus, dass eine Veröffentlichung von dort nicht unterstützt werden sollte.

Daraufhin bot Prof. Dr. Ludger Kremer an, die Auswertung aufzunehmen in eine Aufsatzsammlung mit dem Titel „Diglossiestudien“[5]. Darin wurden weitere, allerdings kleinere Untersuchungen diesseits und jenseits der holländischen Grenze jeweils in der Landessprache vorgestellt. Damit war nun leider verbunden, dass diese emsländischen Ergebnisse in Wort und Grafik nur einem ganz begrenzten sprachwissenschaftlich interessierten Leserkreis vornehmlich außerhalb des Untersuchungsgebietes zugängig waren.

[1] Bernd und Eva Robben, Mundartgebrauch im Kreis Emsland. Eine regionale Schüler- und Elternbefragung, in: Diglossiestudien. Dialekt und Standardsprache im niederländisch-deutschen Grenzland. Hrsg. von Ludger Kremer/Landeskundliches Institut Westmünsterland (Westmünsterland. Quellen und Studien, Bd. 1), Vreden 1993, S. 89-122 (das letztere weiterhin, Kremer, Diglossiestudien). Für die Grafschaft Bentheim gibt es eine neuere Studie über die Sprachverhältnisse unter den Altreformierten hauptsächlich der Niedergrafschaft, die lange Zeit dreisprachig (Niederländisch, Hochdeutsch und Plattdeutsch) waren, wobei sowohl das Niederländische wie das Plattdeutsche an Boden verlieren (Melanie Bolks, Zur Triglossie in der Evangelisch-altreformierten Kirche der Grafschaft Bentheim – eine empirische Untersuchung, in: Niederdeutsches Wort. Beiträge zur niederdeutschen Philologie Bd. 44, Münster 2004, S. 217-233).

[2] Dieter Stellmacher, Wer spricht Platt? Zur Lage des Niederdeutschen heute. Eine kurzgefaßte Bestandsaufnahme (Schriften des Instituts für niederdeutsche Sprache, Reihe Dokumentation, Nr. 14), Leer 1987.

[3] Die Befragung wurde von Kremer in Zusammenarbeit mit dem Schulamt des Kreises Borken im Jahre 1981 durchgeführt, die Ergebnisse wurden in zusammengefasster Form veröffentlicht in: Ludger Kremer, Mundart im Westmünsterland. Aufbau, Gebrauch, Literatur (Schriftenreihe des Kreises Borken, Bd. 5), Borken 1983 (weiterhin Kremer, Westmünsterland).

[4] Der damalige Leiter des Schulaufsichtsamtes Emsland, Schulamtsdirektor Alfons Lögering, nahm dankenswerterweise sofort die Idee der kombinierten Schüler- und Elternbefragung auf und richtete zu ihrer Vorbereitung eine Arbeitsgruppe mit Helmut Diers, Karl Oldiges und Bernhard Tengen ein.

[5] Kremer, Diglossiestudien (wie Anm. 1).

Untersuchung in den Grundschulen EL und Grafschaft Bentheim 2011

Befragung der Grundschulen zum Stand des Plattdeutschen im Emsland und in der Grafschaft Bentheim

Die oben vorgestellte umfangreiche Untersuchung im Landkreis Emsland hat seinerzeit auch mit dazu geführt, dass etliche Lehrpersonen auf Kreisebene in ihrer unterrichtfreien Zeit sich zusammengefunden haben, um im schulischen Bereich sich diesem Verfall der Sprachkompetenz im Plattdeutschen bei den Heranwachsenden entgegen zu stellen.

So wurde unter Leitung des damaligen emsländischen Regierungsschuldirektors

Alfons Lögering ein sicher ansprechendes Lesebuch in Platt erstellt und mit finanzieller Unterstützung der Sparkassenstiftung allen Schulen im Landkreis Emsland zur Verfügung gestellt[1]. Die Grafschaft Bentheim war dabei leider noch nicht beteiligt. 1999 gründete sich ein Kreis von engagierten Pädagogen für das Projekt „Region im Unterricht“ unter dem Dach der „Emsländischen Landschaft für die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim“, die sich der Aufgabe widmeten, nun auch noch ein plattdeutsches Liederbuch mit einer entsprechenden CD für alle Schulen des Raumes heraus zu bringen[2]. Jetzt waren auch Grafschafter Lehrpersonen und die Schulaufsichtsbeamten Udo Tiemann und Horst Mücke mit dabei. Diese neuen Unterrichtsmaterialien ermöglichten nun insbesondere den Musikpädagogen, die keine Plattdeutschkenntnisse hatten, diese „ansteckenden“ Lieder und Tänze in den Unterricht einzubauen. Erneut erhielten alle Schulen die neuen Lehrmaterialien kostenlos geliefert. Was hat sich daraus in den letzten Jahren in den Schulen entwickelt? Dazu muss man wissen, dass sich die Verhältnisse in den Schulen insgesamt mit dem Jahr 2001 ziemlich veränderten. Der sogenannte „PISA-Schock“ überzog die deutsche Schullandschaft.

 

Daraufhin hatten offensichtlich etliche Unterrichtsinhalte beiseite zu stehen, die nicht dem Erwerb der international messbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten dienten. In Niedersachsen wurde die Schulinspektion geboren, die neben anderen Neuerungen die Arbeit vieler Kollegien in der Formulierung und Schaffung einheitlicher Standards gebunden hat. Für ein kreatives Schulleben, in dem auch die Region ihren Stellenwert hat, war nach dem Empfinden vieler Lehrpersonen häufig kein Platz mehr. So verschwand offensichtlich aus etlichen Lehrmittelzimmern der Klassensatz mit den plattdeutschen Lesebüchern, die zumindest im Landkreis Emsland jede Schule erhalten hatte. Wie soll man sonst verstehen, dass sogar das Liederbuch mit der CD in einigen Schulen nicht mehr vorhanden ist, obwohl die Sparkassenstiftung für eine kostenfreie Versorgung aller Schulen in der Emsländischen Landschaft gesorgt hatte?

Dieses ist ein Ergebnis der oben genannten Schulbefragung vom Februar 2011 in 31 Grundschulen der Grafschaft und in 42 Primarlehranstalten des Landkreises Emsland[3]. Dabei wurden im Landkreis Emsland insbesondere die Schulen ausgespart, die schon im Jahre 1989 kaum plattdeutsche Ansätze hatten, so etwa die 19 Grundschulen der Stadt Lingen. Dafür wurden aber alle Grundschulen im mittleren und nördlichen Landkreis angeschrieben. In der Grundschule Leschede wurde die Praktikabilität der Umfrage geprobt: Die 15 Fragen an die Schulleitung und das jeweilige Kollegium konnten in fünf Minuten erledigt werden und belasteten den laufenden Unterrichtsbetrieb somit kaum. Für die Antwort war ein frankierter Rückumschlag beigelegt.

Die Auswertung

  1. Arbeitsgemeinschaften (AGs)                                                                                            Als wichtigster Indikator für plattdeutsche Aktivitäten an einer Schule kann die Einrichtung einer plattdeutschen Arbeitsgemeinschaft (AG) gelten. Diese besteht zurzeit an 13 Schulen im Untersuchungsraum. In sechs Schulen wird diese AG nach Bedarf angeboten. In 39 Schulen existiert dieses Angebot nicht.
  2. Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler                                                        Das entspricht etwa genau der Zahl der Bildungseinrichtungen, an denen gar keine plattsprechenden Kinder mehr von den Lehrpersonen ausgemacht werden können (33 Schulen). Und hier liegt eindeutig das Kernproblem: 20 Grundschulen melden jeweils zwei bis fünf Kinder mit aktiven Plattdeutschkenntnissen. Nach dem sprachwissenschaftlichen Test von 1989 wären das vermutlich nicht einmal mehr ein Prozent der heutigen Grundschüler. Zur Erinnerung: Vor zwanzig Jahren waren es schon nur noch drei Prozent.
  3. Einsatz außerschulischer Plattsprecher                                                                       Und dann kann auch die Beantwortung der nächsten Frage kaum verwundern: „Holen Sie außerschulische Plattsprecher in den Unterricht?“ 50 Schulen nehmen diese Möglichkeit nicht in Anspruch, neun Grundschulen bedienen sich dieser Möglichkeit etwa in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Heimatverein.
  4. Ist Platt festes Unterrichtsthema                                                                                     Eine sicher wichtige Frage ist, ob Plattdeutsch an der jeweiligen Schule im Laufe der Grundschulzeit irgendwann ein festes Unterrichtsthema ist. Hier ist die Antwort aus beiden Landkreisen recht ernüchternd. Nur neun Schulen bejahen diese Frage (drei in der Grafschaft, sechs im Emsland), an 44 Schulen (25 Grafschaft, 19 Emsland) ist dies nicht der Fall.
  5. Sprachkompetenz der Lehrer/innen                                                          Entgegengesetzt proportional zu den kaum vorhandenen Schülerkompetenzen im Plattdeutschen sieht es bei den Lehrpersonen in der Region aus: An 49 Schulen (24 Bentheimer Land, 25 Emsland) kann mindestens einer aus dem Kollegium Platt sprechen, verstehen können es mehrfach alle Lehrerinnen und Lehrer. Nur sieben Schulen müssen hier passen. Das war so nicht vermutet worden, nachdem es doch in etlichen Lehrerzimmern in den letzten Jahren einen fast kompletten Generationswandel gegeben hat.
  6. Platt im Unterricht sinnvoll?                                                                                           Eine entscheidende Frage an die Pädagogen ist sicherlich auch, ob sie angesichts der vorgegebenen Themenvielfalt „Plattdeutsch“ im Unterricht von heute noch für sinnvoll bzw. notwendig halten. Davon war die Mehrheit von 47 Kollegien (20 Grafschaft, 17 Emsland) doch überzeugt.
  7. Elternwunsch zum Plattdeutschen                                                                     Allerdings bezweifelt die überwiegende Mehrheit der Lehrpersonen (48 Schulen), dass der Elternwunsch zur Behandlung des Plattdeutschen in der Schule noch bei 68 Prozent – wie damals im Landkreis Emsland – liegt (19 Grafschaft, 19 Emsland).
  8. Einschätzungen dazu in beiden Kreisen nahezu identisch                    Festzustellen ist, dass bis hierher bei den abgefragten Fakten und Einschätzungen in den Schulen die Grafschaft und der Landkreises Emsland sehr eng beieinander lagen.
  9.                                                                                                              Ein sicherlich erstaunlicher Unterschied zwischen den beiden benachbarten Landkreisen in der gleichen Kulturregion ist die Teilnahme am Wettbewerb „Schüler lesen Platt“, der landesweit von den Sparkassen angeboten wird. Während im Emsland 26 der angesprochenen Schulen sich regelmäßig daran beteiligen, sind es in der Grafschaft nur zwölf, obwohl in der Grafschaft 22 Kollegien diesen Wettbewerb immer noch für sinnvoll halten (Emsland auch 22 Schulen). Nur zwölf Schulen halten ihn für überholt (Grafschaft sechs, Emsland sechs) Dieser Wettbewerb ist für die Kinder durchaus attraktiv, weil schon die Klassengewinner mit großzügigen Geldpreisen belohnt werden. Allerdings dürfen die größtenteils durchaus gelungenen Schülervorträge bei dem Kreisentscheid von den Ausrichtern als Beweis für eine „heile Plattdeutschwelt“ bei den Heranwachsenden anschließend in der Presse nicht fehl gedeutet werden als Plattdeutschkompetenz, das ist in aller Regel nur angelesen. Diese und ähnliche Untersuchungen belegen das eindeutig.
  10. Nutzung des Lehrmaterials                                                                                                Alle Schulen des Landkreises Emsland sind mit einem kostenlosen Klassensatz des zumindest damals ansprechenden Lesebuches „Platt lutt moij“ ausgestattet worden. Vier Schulen besitzen es gar nicht mehr und in 14 Kollegien wird es nicht mehr benutzt. Ähnlich ist es mit dem Liederbuch mit CD, das auch die Grafschafter Schulen erhalten haben: An 31 Lehranstalten ist sie noch vorhanden, an 26 nicht mehr da. Gebraucht wird beides öfters an 13, manchmal an 16 Schulen.

 

Eine Enklave zumindest im Bereich der Plattdeutschaktivitäten konnte bei der ansonsten anonymen Befragung ausgemacht werden: Die frühere Grund- und Hauptschule Veldhausen hat sich 2005 mit der Namensgebung „Carl-van-der Linde-Schule“ zu einem plattdeutschen Grafschafter Dichter und Schriftsteller (1861-1930) jüdischer Abstammung bekannt. Der Schulgemeinschaft ist dabei etwas Besonderes gelungen: ein Buchprojekt über ihren Namensgeber[4]. Theo Mönch-Tegeder schreibt voll des Lobes über das Werk: Man mag es beinahe nicht glauben, dass es eine Gemeinschaftsarbeit der Carl-van-der-Linde-Schule ist. Auch und gerade die Schülerinnen und Schüler, wohlgemerkt einer Grund- und Hauptschule, haben aktiv daran mitgearbeitet, indem sie in Veldhausen selbst und in den umliegenden Bibliotheken und Archiven viele unbekannte, bisher unveröffentlichte Arbeiten Carl van der Lindes aufgestöbert und interessantes Material über das facettenreiche Leben dieses plattdeutschen jüdischen Dichters in der Grafschaft Bentheim zusammengetragen haben. Jeden der abschätzig über die Qualität von Hauptschulen denkt, sollte dieses Buch zur Hand nehmen und sich von der Begeisterungsfähigkeit und der hohen Leistung mitreißen lassen, welche die Schule mit diesem Buch dokumentiert. Man spürt, wie die ganze Gemeinschaft sich mit ihrem Namensgeber auseinandersetzt und ihn zum Gegenstand des Lernens, der Persönlichkeits- und Gemeinschaftsbildung macht[5].

 Schlussfolgerung aus der Untersuchung 2011

Obwohl in der Grafschaft offensichtlich noch ein etwas größeres Interesse am Kulturgut Plattdeutsch besteht (siehe Rücklaufquote) als in anderen Regionen[6], bestätigen obige Befragungsergebnisse die Erkenntnisse aus anderen niederdeutschen Sprachgebieten: Plattdeutsch ist bei den Heranwachsenden bis auf geringste Restkenntnisse nicht mehr vorhanden und auch die Opas und Omas werden ihre geliebte Muttersprache nicht mehr ausreichend an ihre Enkel weitergeben können. Ältere Schulpraktiker wissen: Plattdeutsch vermittelt man nicht mal ebenso mit sporadischen Arbeitsgemeinschaften.

Was kann man da noch machen?

Klar ist, dass die Lehrpersonen im heutigen Schulalltag mit der übrigen Unterrichtsfülle so ausgelastet sind, dass für dieses Thema kaum noch Platz ist, obwohl der noch gültige Plattdeutsch-Erlass dieses fordert. Auch sollte man völlig unsentimental folgende Erkenntnis des aus Schüttorf stammenden mittlerweile pensionierten Regierungsschuldirektors Alfred Möllers zu Kenntnis nehmen: Ich bin mir sicher, dass in den meisten Osnabrücker Kollegien gar nicht mehr bekannt ist, dass in ihrer Schule eine komplette Plattdeutsch-Bibliothek vorhanden ist, die ich in den 80iger Jahren mit den Lehrkräften erstellt habe.

Plattdeutsch im Unterricht von heute setzt Kontinuität und Beharrlichkeit voraus und konkurriert mit anderen Angeboten wie Sport, Erlernen eines Musikinstrumentes und steht natürlich auch im Wettstreit zu anderen Sprachen, mit denen die Heranwachsenden auf eine globalisierte Welt vorbereitet werden müssen.

Deshalb sollte sich die Erkenntnis durchsetzen den Kindern von heute – etwa einmal im Jahr – zu vermitteln: Plattdeutsch war über Jahrhunderte d i e Sprache in dieser Region auch über die holländische Grenze hinweg. Hier könnten die Heimatvereine die Schulen unterstützen etwa dadurch, dass sie sich ein plattdeutsches Repertoire zulegen in den Bereichen Tanzen, Singen, Lyrik, Sketch- und Textvortrag. Sie könnten damit in den Schulen einen „plattdeutschen Vormittag“ anbieten, der Schüler und Lehrer begeistert. Versierte pensionierte Lehrpersonen mit ausgezeichneten Plattdeutschkenntnissen und pädagogischem Geschick stehen sicherlich für die Beratung und Einweisung zur Hilfe bereit.

Wie wäre das: Großeltern mit ihren Enkeln gemeinsam beim „Danz up de Deel“ in der Turnhalle beim jährlichen schulischen Plattdeutschfest von zwei bis drei Schulstunden oder ganztätig im Rahmen eines „Plattdeutsch-Tages“ kurz vor den Sommerferien nach den Zeugniskonferenzen. So bliebe wenigstens in Erinnerung, was das Plattdeutsche einmal für die hiesige Region.

[1] Platt lutt moij. Eein Lesebouk up Platt ut’t Emsland. Hrsg. vom Arbeitskreis beim Schulaufsichtsamt Emsland „Mester prootet Platt“. Redaktion: Karl Oldiges u.a., Meppen 1993 (weiterhin Platt lutt moj).

[2] Kinner singt un danzt. 30 plattdeutsche Kinderlieder aus dem Emsland und der Grafschaft Bentheim zum Musizieren und Mitsingen. Begleitheft zur gleichnamigen CD. Hrsg. von der Emsländischen Landschaft, Sögel 1999.

[3] Der „Grafschafter“ berichtete bereits kurz über die beiden Untersuchungen und über das Grafschafter Abschneiden: Bernd Robben, Zum Stand des Plattdeutschen an Grafschafter Grundschulen. Arbeitsgruppe „Plattdeutsch-Befragung“ führte mit Universität Kiel Fragebogenaktion durch, in: Der Grafschafter Nr. 6 vom Juni 2011, Nordhorn, S. 23.

[4] Carl van der Linde, Löö und Tieden. Ausgewählte Texte und ein Lebensbild. Hrsg. von Helga Vorrink/Siegfried Kessemeier, Veldhausen 2008 (weiterhin Vorrink/Kessemeier).

[5] Theo Mönch-Tegeder, Rezension: Carl van der Linde, Löö und Tieden, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes Bd. 56/2010, Sögel 2009, 359-361, S. 360.

[6] In der monatlich erscheinenden Heimatbeilage der „Grafschafter Nachrichten“ (die am Jahresende gebunden erscheint) unter dem Namen „Der Grafschafter“ erscheinen daher regelmäßig nicht nur Beiträge auf Plattdeutsch, sondern auch häufig Artikel, die sich etwa mit der rechtlichen Situation des Plattdeutschen oder mit Forschungen zu dieser Sprache beschäftigen. Siehe dazu etwa im Jahrgang 2010: Nr. 1 vom Januar (3 Beiträge zum Thema Plattdeutsch, Nr. 3 vom März (1 Beitrag), Nr. 6 vom Juni (1 Beitrag), Nur. 7 vom Juli (1 Beitrag), Nr. 8 vom August (1 Beitrag), Nr. 10 vom Oktober (1 Beitrag), Nr. 11 vom November (1 Beitrag), Nr. 12 vom Dezember (2 Beiträge). So veranstaltete er der Landkreis Grafschaft Bentheim im September 2010 eine Tagung mit rund 40 Grundschullehrer/innen, die sich bei einer ostfriesischen Expertin für den plattdeutschen Unterricht über Methoden des bilingualen Unterrichts informierten (Platt-AG erstellt Unterrichtsmaterialien für Grundschulen – Grete Saathoff informierte über Methoden mehrsprachigen Unterrichts, in: Der Grafschafter Nr. 11 vom November 2010, S. 42

 

Karl Oldiges

 

Karl Oldiges 1944 in Esterwegen geboren, war Rektor der Grund-und Hauptschule mit Orientierungsstufe in Surwold/Börgermoor. Er schreibt Geschichten zum Nachdenken und kriti­schen Hinterfragen in hümmmlingisch-emsländischem Platt. Veröffentli­chungen in den Jahr­büchern des Emsländischen Heimatbundes, im Literaturtelefon etc.

Ich habe den Unsinn geglaubt

Mein Verhältnis zur plattdeutschen Sprache ist zumin­dest in den Urspüngen mit dem fast aller Emsländer meiner Generation zu vergleichen. Aufgewachsen in ei­nem plattdeutschen Elternhaus, wurde für mich in der Schule das Hochdeutsche zur ersten Fremdsprache. Ge­nau wie fast allen meinen Altersgenossen wurde mir eingeredet, daß Hochdeutsch gleichzusetzen sei mit Bil­dung, mit Weiterkommen, mit sozial, kulturell und ge­sellschaftlich hervorgehobener Stellung, während das Plattdeutsche die Sprache des einfachen Volkes, die Sprache der Handwerker, Arbeiter und Bauern unter­einander sei und damit weit weniger wertvoll und an­gesehen als das „gebildete” Hochdeutsch. Genau wie viele meiner Altersgenossen machte ich jahrelang den Fehler, diesen Unsinn zu glauben.

Erst sehr viel später wurde mir klar, daß ich das ganz große Glück hatte, zweisprachig aufzuwachsen. Daß dadurch das sprachliche Verständnis, der bessere Zu­gang zu grammatikalischen Strukturen nicht nur zwischen diesen beiden Spra­chen und damit der Zugang zu Fremdsprachen erheblich erleichtert wurde, führte die Behauptung – auch vieler meiner Lehrer – ad absurdum, daß Plattdeutsch we­niger wert sei als Hochdeutsch. Leider hat sich diese Erkenntnis nicht bei allzu-vielen Zeitgenossen durchgesetzt. Die Weitergabe von Sprache an die Kinder er­folgte bald fast ausschließlich auf Hochdeutsch, und der Erwerb des Plattdeutschen kam erst viel später hinterher. Wohlmeinende Versuche vieler gegenwärtiger Schreiber, durch Häppkes und Dönkes das Plattdeutsche zu erhalten, verfestigten in aller Regel bestehende Vorurteile. Eigene Versuche, fast ausschließlich platt­deutsch zu reden, führten zu der für mich immer noch schockierenden Erkenntnis eines Freundes, der da sagte: „Du kaenns die daet erlauben, du haes Abitur; wenn ick plattdütschk proote, bün ick ‘n dummen Buur.”

Hartnäckiges Festhalten an der Ursprache bewirkte – zumindest in meinem Be­kanntenkreis – ein allmähliches Umdenken und Akzeptieren dessen, was anfangs als „Spleen” allenfalls wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Auch bei Behörden, Institutionen und Ämtern wird mittlerweile mein Plattdeutsch akzep­tiert und bei vielen „Freizeitplattdeutschen” freudig erwidert. Auch gibt es mittler­weile wieder plattdeutsche Literatur auf anspruchsvoll sehr hohem Niveau, die be­weist, daß alle Themenbereiche von der Philosophie bis zur Religion, von der Ge­schichte bis zur Kultur und von der Dramatik im Theater bis zur leichten Muse problemlos abgedeckt werden können. Dies berechtigt mich zu der Hoffnung, daß die rapide Auszehrung des Plattdeutschen sich erheblich verlangsamt und zumindest in gewissen Kreisen einer Umkehr im Denken Platz gemacht hat.

Äußerste Vorsicht scheint mir insofern geboten, als – zumindest in der Öffentlich­keit – das Plattdeutsche einer gewissen intellektuellen Schicht als Forum dient und nicht die ganze Bandbreite der Bevölkerung abdeckt und in dieser wieder zur be­herrschenden – möglicherweise sogar zur einzigen Umgangssprache wird. Um es auf den Punkt zu bringen: Nicht nur der intellektuell hohe Anspruch einiger- zu­gegebenermaßen exzellenter – Kenner ist allein entscheidend für den Fortbestand unserer plattdeutschen Sprache, sondern die Erkenntnis in der gesamten Bevölke­rung, daß wir dieses hohe Kulturgut pflegen müssen – und es ist ohne Wenn und Aber wert, gepflegt zu werden – und daß die Erhaltung nur möglich ist, wenn die Alltagssprache wieder plattdeutsch wird.

Karl-Heinz Vehring Oberbürgermeister von Lingen a. D.

Kurzvita:

Karl-Heinz Vehring ist als zweitjüngstes von neun Kindern geboren. Er legte die Reifeprüfung 1956 am Gymnasium Meppen ab und nahm im Sommersemester 1956 das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Münster und Freiburg auf. Seine erste juristische Staatsprüfung erfolgte im Januar 1960, die zweite im Januar 1964 nach 3,5 Jahren Referendarausbildung. Anschließend war er bis zum 31. Juli 1964 als Gerichts-Assessor bei der Staatsanwaltschaft Bückeburg und anschließend vom 1. August 1964 bis 28. Februar 1965 als Regierungs-Assessor bei der Landeskulturverwaltung in Meppen tätig. Zum 1. März 1965 erfolgte seine Einstellung bei der Stadt Lingen (Ems) als Stadtoberrechtsrat bei gleichzeitiger Übertragung der Funktion des allgemeinen Vertreters des Stadtdirektors. Am 1. Dezember 1966 wurde er für die Zeit vom 1. Juni 1967 bis 31. Mai 1979 einstimmig zum Stadtdirektor der Stadt Lingen (Ems) gewählt. Durch den Statuswechsel der Stadt Lingen ab 1. August 1977 (Lingen wurde große selbstständige Stadt) erhielt er die Dienstbezeichnung Oberstadtdirektor und wurde am 6. Juli 1978 ohne Gegenstimmen für die Zeit vom 1. Juni 1979 bis 31. Mai 1991 und erneut am 7. Juni 1990 für die Zeit vom 1. Juni 1991 bis 31. Mai 2003 wiedergewählt. Seine Dienstzeit bei der Stadt Lingen beendete er im 65. Lebensjahr am 30. April 2000. Karl-Heinz Vehring wurde zum Ehrenbürger der Stadt Lingen (seit 1. Mai 2000) ernannt. Im Jahr 2008 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Heinz_Vehring am 21. 11. 2017

Die Stadt Lingen fördert das Plattdeutsche

Zunächst möchte ich es sehr begrüßen, daß Sie eine Ini­tiative ergreifen, um die plattdeutsche Sprache im Ems-land zu erhalten und zu fördern. Ich bin in einer Fami­lie aufgewachsen, in der noch plattdeutsch gesprochen wurde. Die plattdeutsche Sprache vermittelt ein Stück emsländischer Heimat. Mit ihr lassen sich oft auch kurz und mit großer Treffsicherheit bestimmte Lebenssitua­tionen beschreiben, seien sie positiver oder negativer Art. Im Umgang miteinander kann mit der plattdeutschen Sprache vieles erzählt werden, was im Hochdeutschen nicht annähernd eine vergleichbare Ausdrucksstärke erreicht.

Doch die hochdeutsche Sprache verdrängt das Plattdeutsch zunehmend. In der Stadt Lingen wird sicherlich zum allergrößten Teil nur noch hochdeutsch gespro­chen.

In verschiedenen Ortschaften wird allerdings durchaus noch die plattdeutsche Sprache sowohl gesprochen als auch gefördert und gepflegt, dies gilt auch für man­che Ortsratssitzung. Diese Sprache vermittelt dabei in stärkerem Maße eine nach­barschaftliche, freundschaftliche und in vielen Fällen auch vermittelnde Atmo­sphäre. Wenn die „Gangart” in einer solchen Sitzung etwas härter wird, kann ein mit Humor gewürztes plattdeutsches Wort die Wogen wieder leichter glätten.

Die plattdeutsche Sprache hat für zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch für mich durchaus praktische Vorteile. Zum Beispiel ist bei Grund­stücksverhandlungen die „Amts- und Verwaltungsschwelle” sicher viel niedriger, wenn sich der Verhandlungspartner in der täglichen Umgangssprache unterhalten kann. Es entsteht von vornherein eine vertraulichere Verhandlungsatmosphäre. Dies bedeutet nicht, daß der andere damit übervorteilt werden soll, sondern im Ge­genteil: Er kann sich in der plattdeutschen Sprache in vielen Fällen leichter und schneller ausdrücken und damit seine Interessen besser wahrnehmen.

Für viele Bürgerinnen und Bürger des Emslandes in den Grenzgebieten zu den Niederlanden dürfte die plattdeutsche Sprache auch deswegen von Vorteil sein, weil die niederländische Sprache in starkem Umfang dem Plattdeutschen ähnlich ist. Vielen fällt es zwar schwer, sich auf Niederländisch zu unterhalten; man ver­steht aber sehr wohl die Niederländer in ihrer Sprache und umgekehrt. Dabei muß ich allerdings zugeben, daß im Verhältnis zu den Niederlanden im großen und ganzen Hochdeutsch die Amtssprache ist. Es wird jedoch immer angestrebt, dass bei Veranstaltungen, zum Beispiel innerhalb der Ems-Dollart-Region, in den Niederlanden niederländisch und in Deutschland deutsch gesprochen wird. Natür­lich ist es leichter, das Niederländische zu erlernen und zu sprechen, wenn man auf der plattdeutschen Sprache aufbauen kann.

Die Stadt Lingen bemüht sich, auch plattdeutsche Bezeichnungen und Begriffe zu erhalten. So ist der Kulturausschuß unserer Stadt bestrebt, daß zahlreiche Straßen nach Flurnamen benannt werden, die aus dem Plattdeutschen kommen. In vielen Heimatvereinen wird mit Unterstützung der Stadt die plattdeutsche Sprache geför­dert. Theaterstücke werden in Plattdeutsch aufgeführt. In der Grundschule in Dar-me gibt es eine besondere Förderung der plattdeutschen Sprache für die dortigen Schülerinnen und Schüler. Die plattdeutsche Sprache gehört eigentlich zum Typ des Emsländers dazu, wobei ich nicht unerwähnt lassen möchte, daß manche Ge­schichten, Dönkes und Witze nur wirken, wenn Sie auf Plattdeutsch erzählt wer­den. Damit wird die Bedeutung der plattdeutschen Sprache auch für den Inhalt der Erzählung deutlich.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß auch in der Stadt Lingen ein Stück Kul­tur verloren gehen würde, wenn die plattdeutsche Sprache, die sicherlich in frühe­ren Zeiten in allen Ortschaften der Stadt gesprochen wurde, untergehen würde.

 

 

Dr. Rudolf Seiters

Rudolf Seiters, 1937 in Osnabrück geboren, ver­trat den Wahlkreis Unterems im Deutschen Bun­destag. Von 1989 bis 1991 war er als Minister Chef des Bundeskanzleramtes, von 1991 bis 1993 Bun­desinnenminister. Von November 2003 bis Ende 2027 war Seiters Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Er lebt in Papenburg.

Ich bin im Jahre 1937 geboren, aufgewachsen in der Ortschaft Bohmte bei Osnabrück, einer überwiegend ländlich und mittelständisch orientierten Region, in der in meiner Kindheit und Jugend das Plattdeutsche eine große Rolle spielte – nicht nur in vielen Familien, im pri­vaten Umgang, sondern auch bei Behörden, Ämtern, Institutionen, auch in Schulen. Im Laufe der Zeit ist die Bedeutung des Plattdeutschen zurückgegangen, insbe­sondere die Zahl derer, die sich der plattdeutschen Sprache bedienen.

Dennoch hat sie mich auch später begleitet, ist sie auch aus meiner politischen Arbeit – ich vertrete seit 1969 das Emsland im Deutschen Bundestag, seit 1980 auch den ostfriesischen Land­kreis Leer – im Grunde nicht wegzudenken. In meine Sprechstunden kommen oft­mals Menschen, die plattdeutsch sprechen und dabei auch freier sind in der Ver­tretung ihrer Anliegen. Bei Feierstunden und offiziellen Anlässen ist manchmal ei­ne plattdeutsch gehaltene Ansprache interessanter, oft sogar präziser und heiterer.

An meinem 60. Geburtstag war bei den Ansprachen nach Rita Süssmuth, Wolf­gang Schäuble und Friedrich Bohl der Landrat an der Reihe, und jedermann hat sich gefragt: Was kann und was wird er jetzt denn noch zusätzlich sagen? Er hat seine Ansprache auf Plattdeutsch gehalten, und es war ein weiterer Höhepunkt dieser harmonischen, kleinen Feier.

Alles in allem glaube ich, daß die plattdeutsche Sprache auch heute eine große so­ziale und kulturelle Bedeutung hat – nicht nur für die Menschen, die sich dieser Sprache bedienen, sondern auch für die Identität einer Region. Das hat etwas mit Heimat zu tun, dabei kann es durchaus Differenzierungen geben. Ich war immer sehr neugierig und wißbegierig, mir die Unterschiede zu merken zwischen dem Plattdeutschen meiner Osnabrücker Heimat und dem Emsländischen, ganz zu schweigen von der besonders ausgeprägten Art des Rheiderländer Platt, zu dem man einen besonderen Zugang braucht. Es gab einmal ein großes Gelächter unter sieben amerikanischen Austauschschülern in meinem Wahlkreis, die etwas scha­denfroh einen Mitstipendiaten hänselten, weil er in eine Familie geraten war, in der fast nur Rheiderländer Platt gesprochen wurde.

Ich habe mich sehr um die Europäische Charta der Regional- oder Minderheiten­sprachen gekümmert und mich für eine baldige Ratifizierung dieses Instruments des Europarates durch die Bundesrepublik Deutschland eingesetzt. Ziel dieser Ra­tifizierung ist unter anderem, einen möglichst weitgehenden Schutz für Minder­heitensprachen, aber auch für die Regionalsprache Niederdeutsch, zu erreichen. Die plattdeutsche Sprache wird durch die Europäische Charta in ihrem Bestand ge­schützt.

Die Europäische Union kann in Brüssel auch Programme auflegen, um die ge­schützten Regionalsprachen auch finanziell zu fördern. Bei diesen Fördermaßnah­men handelt es sich um zweisprachige Kindergartenarbeit, den Plattdeutschunter­richt an Schulen We auch um die Unterstützung plattdeutscher Literatur. Ich wür­de es sehr begrüßen, wenn zum Beispiel die Landschaften als Kulturparlamente der Regionen entsprechende Programmvorschläge erarbeiten würden.

Eines der bekanntesten Lieder des Emslandes ist der „Hümmelske Bur”, das bei manchen Anlässen gesungen wird, und das ich als ein der Heimat besonders zu­gewandtes Beispiel dem geneigten Leser nicht vorenthalten möchte:

De Hümmelske Bur

De hümmelske Bur

is wall ‘n krossen Mann,

dregg Söcke van sien äigen Schaop

mit moje Klinken dran.

Sien Schaub, de waßt üm up’n Boom,

un sienen Rock van Päi,

de segg: „Ih Lüde, maohnt mi nich,

ick holl miene Plaoze fräi!”

Sien Hus ist ruum un grot,

und rund üm siene Dör,

dor wass’t de Eckenböm so hoch

und kiekt so druusk ümher.

Up sienen Esk, dor riepet üm

de Roggen äs Gold so gähl,

un up sien Moor, dor bläihet üm

dat Pännekaukenmähl.

Wenn frauh de Hahne kreihet,

dann sprink he ut sien Bett

un segg: „Nu, Jungens, bi de Hand

un hollet jau Gebet!”

Dann geitet de Flägel diklipperdiklapp

de Döske up un of,

dann ruusket de Weiher, dann stuff dat Kaff,

dann güff et Mäöhlenstoff.

Gesund un wallgemaut
ett he sien Roggenbräi
un nümmt den Plaugsteert in die Hand
un ackert lat un fröih.
Un häff dat Aovendklöcksken lütt,
häff he sien Arbeit daohn,
dann sleit he in sien Tunnerpott
un steckt sien Piepken an.
De hümmelske Bur
is wall`n krossen Mann,
wat frögg he naoh de häile Welt,
he häff sien Wallbestaohn.
Man Gott un siene Obrigkeit,
de hollt he wall in Ehrn,
un wor’n Krüß anin Wäge steiht,
licht he sien Kippken geern.


Zur Generalversammlung der KFD Hagen a.T.W. (18)

Vor 50 Jahren , an einem Sonntag, läuteten die Glocken zur Andacht vom alten Turm.

Zur gleichen Zeit klingelte es bei uns Sturm!

„Oh Mutter“; sag ich. „Was ist geschehen?“

„Ich bleib bei den Kindern, Du kannst noch zur Kirche gehen!

 

Heute ist Neuaufnahme vom Mütterverein.

Es wäre doch schön für Dich, dabei zu sein!“

Die Turmuhr schlug drei, die Orgel brauste los.

Ich huschte als Letzte in die Kirche und war noch etwas fassungslos.

 

Doch dann kam der gesetzte Herr Pastor Schnäwel

und begrüßte uns in der Predigt mit Freudentränen.

„Meine lieben Frauen und Mütter, ich muss Euch sagen:

Ihr seid das Leitwerk, das Bollwerk von Hagen!“

Mit einem Mutter-Anna-Bildchen und geschwellter Brust

kehrte ich zu meiner Familie zurück.

 

Es blieb eine Weile ruhig in unserem Verein.

Die Zeit ging dahin, was sollte schon sein?

Außer Kaffeetrinken und Ausflug einmal im Jahr,

nichts Besonderes bei uns geschah.

 

Doch dann stieg aus der nächsten Wahl

Frau Änne Rhotert aufs Portal.

Sie nahm das Amt fest in ihre Hände.

Von nun an gab es eine Wende!

 

Sie machte nicht alles allein: mitnichten!

Es wurden verteilt auf viele Frauen viele Pflichten!

Ihr Erbe gab sie nach Jahren dann

zu treuen Händen an tüchtige Frauen weiter.

Euch allen vielen Dank!

 

Heute gibt es einen Frühlings-, pardon Führungskreis,

wo jede um ihre Aufgaben weiß.

Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg und Glück,

denkt an die Worte von Pastor Schnäwel zurück!

Er würde heute zu Euch sagen:

„Ihr seid nun das Bollwerk von Hagen!“

 

 

Hagen a.T.W., 14. Februar 2007

Martha Herkenhoff geb. Koch